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neue Schauermährchen und bevölkert jede Klinge, jede Schlucht, jedes alte Haus mit unheimlichen, haarsträubenden Erscheinungen. Auch Beispiele von Geisterseherei, Teufelsbannerei und Schatzgräberei kommen vor. Amulette, Kräuter an Freitagen um Mitternacht, bei zunehmendem Mond und an Kreuzwegen gesammelt, sowie geheimnißvolle Zeichen werden gegen Krankheiten bei Menschen und Vieh angewendet und die Quacksalber haben gute Nahrung. An gewissen Tagen, z. B. an dem unschuldigen Montag, geben manche Familien weder Geschenktes noch Verkauftes aus dem Haus, und in manchen Ortschaften ist das Dungführen am Samstag, als hagelgefährlich, durch gemeinschaftliche Übereinkunft verboten. – Die Religion steht zwar in großen Ehren, aber sie wird nicht als Eigenthum oder Gut ins Innere hineingezogen, sondern sie wird mehr von ihrer künstlerisch-poetischen Seite, als Schönes aufgefaßt, sie ist ein Idol, das außen stehen bleibt, Religion, aber nicht Religiosität. Dagegen weiß man auch nichts von Intoleranz, Pietismus, Sektirerei und Separatismus.

Die Mundart ist judaisirend, fränkisch-rheinländisch, mit breitschwäbischer Unterlage. Ersteres ist sein flüchtiges, letzteres sein schleppendes Element. In Worten wie „zwaerla“ statt zweierlei, „Handla“ statt Handlohn, tritt beides, in „Flaasch“ statt Fleisch blos das letztere, in „Hosen“ statt Hasen, „Hausen“ statt Hosen, „mer san,“ statt wir sind, das rheinische Juda hervor. „Au“ für o, leicht ausgehaucht, ist sehr allgemein, „wauhl“ statt wohl, „sau“ statt so. Im Ganzen hört sich die Sprache nicht unangenehm, und sticht gegen Beutelsbach, Möhringen a. d. Fildern und Pliezhausen, auch gegen Ulm’s „Fluigen auf der Neeß“ (Fliegen auf der Nase) vortheilhaft ab.

Die Tracht der Männer ist sehr unkleidsam. Für die tägliche Arbeit grau-blauwollene, im Sommer leinene Wämser und Beinkleider, auf dem Kopf Lederkappen mit Schilden, gehen noch an; zur Kirche aber und für den Staat lange, schlotternde, schwarzgraue Überröcke, von grober selbstgezogener und gewobener Wolle, für den Sommer zu einer Art von Camelotte verarbeitet; lange Beinkleider von demselben Zeug verhüllen die Gestalten. Auf dem Haupt der Dreimaster, mit dem Bug nach vorn, die wolkenbohrende Partie nach hinten gekehrt. Die Kleider sind ungemein schwer und dick und mit einer Farbe heißenden Brühe gesättigt, die gehen läßt, so daß manche Männer das ganze Jahr über, den Händen nach, als Färbergesellen reisen könnten. Aus der Lästigkeit dieser Kleidungsstücke scheinen sie sich nichts zu machen, denn ein rechter Bauersmann steht in den Hundstagen mit dem obenbeschriebenen Überrock, Wamms, Ober- und Unter-Weste, Alles

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Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Hall. Verlag der J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHall0051.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)