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cajolirt wird. Freilich knüpft den hall’schen Bauern auch noch ein anderes, minder erfreuliches Band an die Stadt; die leidigen Gülten und Laudemialgefälle, die er theils an Privaten, theils an Corporationen (Stadtpflege, Hospital) in derselben zu entrichten hat; und doch, wer sollte es glauben? trotz dem, daß er den Rahm, das Fett, den Schweiß seines Angesichts hineintragen und führen muß, thut das seiner unbesieglichen Vorliebe für Hall keinen Eintrag. Es hat sich dadurch ein patriarchalisch-commerzielles Verhältniß von äußerster Traulichkeit zwischen den Bewohnern der Stadt und des Landes gebildet, welches um so mehr hervorgehoben zu werden verdient, als bekanntlich der Altwürttemberger das Kreuz macht, wenn er einmal Geschäfte halber zur Stadt muß, und sein Geld vierzigmal im Beutel umkehrt, bis er etwas Nothdürftiges verzehrt, und dann maulend über schlechte Geschäfte und schweren Verbrauch heimfährt, wogegen der hall’sche Bauer mit Frau und Töchterlein ein bis zwei Flaschen nicht zu verachtenden Weins, nebst Kraut und Fleisch mit einigen Würsten zu sich nimmt, ein Ansehnliches an Bier oben drauf setzt, und dann mit sinkender Sonne, oft noch etwas später, auch zum schlechtesten Markt ein höchst vergnügtes Gesicht machend, mit Beobachtung der gehörigen Stationen nach Hause kutschirt. Deßwegen bleibt ihm auch das übrige Württemberg so ziemlich terra incognita und er glaubt es kaum, daß in den übrigen Theilen des Landes auch noch Schönes, Nützliches, Lernens- und Sehens-Werthes zu finden sey; daher man zur Stunde noch die Unterscheidungsbenennung „Haller“ und „Württemberger“ gebraucht. 1

Soll überhaupt eine Charakterschilderung des hall’schen Völkleins gegeben werden, so ist hier zuerst zwischen dem Stadt- und Land-Bewohner zu unterscheiden. Jenen historischen Stolz und den Hang zum Wohlleben theilen sie redlich miteinander. Der Stadtbewohner aber kann es immer noch nicht vergessen, daß vor nicht allzulanger Zeit, d. h. so lange noch das Salzwerk Eigenthum der Stadt, oder vielmehr einer Anzahl Familien war, fremde Händler und hall’sche Bauern den Honig des Behagens in ihre Mitte trugen. Wenn ehemals eine Familie den Siedenstag hatte, d. h. wenn an sie, nachdem ihr zuvor je nach ihren Rechten ein oder mehrere Tage zur Alleinfabrikation des Salzes angewiesen gewesen waren, die Reihe des Alleinverkauf kam, welch ein Tag, welch ein Leben! Die Monopolisten und die Händler schwelgten in gebratenen Hühnern, Gänse- und Enten-Vierteln und sorgten aufs Umsichtigste dafür, daß diese schwimmfüßigen Thiere auch schwimmen durften. Und vollends das Siedersfest, das Kuchenholen! Was Wunder, daß diese goldene Zeit in wehmüthig frohem

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Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Hall. Verlag der J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHall0044.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)