Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Im Handel ist das Schmußen und das Weinkauftrinken allgemein.

Da die Realgemeinde noch fast allgemein besteht, so daß alle Güter der Gemeinde nur den Realgemeinderechtsbesitzern gehören, aber auch alle Lasten z. B. Wegbauten von ihnen zu tragen sind, so sind Gemeindeversammlungen mit Berathung über Wege, Schafweide, Pferch fast alle 4 Wochen. Die Geschäfte der Realgemeinde leitet der Bauermeister (Bürgermeister), dessen Amt mit der Gemeindelade, d. h. den auf diese Rechte bezüglichen Urkunden, von Haus zu Haus geht. Am Ende des Jahres ist Gemeindeerneuerung mit Rechnungsabschluß. Der Bauermeister trägt den Zweck der Zusammenkunft vor, dann folgt freie Aussprache ohne parlamentarischen Zwang. Aus dem Gewirr der Meinungsäußerungen hat der Bauermeister die Ansicht der Mehrheit herauszumerken. Markungsumgang in Begleitung der Jugend war früher alle 2–3 Jahre Sitte. Die meisten Bauern giengen mit. Jeder wichtige Stein wurde besichtigt. Der Bauermeister legte einen Kreuzer darauf, wer von den Knaben ihn zuerst sah und aufhob, erhielt ihn, bekam aber dabei eine Ohrfeige, damit er den Stein merke. Der Tag schloß mit einem allgemeinen Trunk der Gemeinde auf Gemeindekosten.

Bei Krankheiten spielt der Hexenmeister noch eine große Rolle. Ganz besonders heilkräftig ist der angeblich im 30jährigen Krieg in einem Baum mit Gebrauchsanweisung gefundene Hubertusschlüssel in Gröningen, ein Stück Eisen, das glühend gemacht wird, um den Biß wüthender Hunde auszubrennen (so auch in der Haller und Mergentheimer Gegend). Beulen werden kreuzweise mit einem Brotmesser, das 3 Kreuze hat, gedrückt, um nicht stärker aufzuschwellen. Um sich von Krankheiten zu befreien, opfern manche Evangelische am Gründonnerstag in der evangelischen Kirche zu Dombühl (Bayern). Ringe, die aus Nägeln gemacht wurden, welche man aus den Gräbern grub, halfen, mit 3 Kreuzen versehen, wider die Gicht.

Bei Verwundungen kann das Blut gestillt werden, wenn man das Messer etc. zu dem Mann, „der dafür thun kann“, trägt. Dieser steckt das Messer unter bestimmten Formeln in „das Schmer“ oder bindet es auf besondere Art.

Vorzeichen des Todes sind das Glockengeläute während des Stundenschlags, das „Knängern“ der Glocke, eigenthümlicher Ton beim Läuten, das Wachsen weißer Pflanzen (Kohl, Rüben, Bohnen) auf einem Grundstück, das truppenweise Bilden eines Leichenzugs, der Leichenzug bei Kinderspielen, das Graben der sog. Todtenuhr, des Holzkäfers.

Unmittelbar nach dem Verscheiden wird ein Kübel Wasser ausgeschüttet. Schön ist die Theilnahme bei Todesfällen und Beerdigungen, sowie die thätige Hilfeleistung der Nachbarn. Wird der Sarg mit der Leiche aus dem Zimmer getragen, so wird er dreimal auf der Schwelle niedergesetzt. In Roßfeld werden die Särge der Jugend noch mit Messingkronen, welche darauf gebunden werden, geschmückt. Die Särge von den Filialien wurden mit 4 Ochsen zum Gottesacker geführt. Vornen auf dem Sarg saßen die 2 ältesten Frauen. Eine Beerdigung ohne kirchlichen Akt ist kaum denkbar. Der Todte wird mit entblößtem Haupte am Grabe „vergrienen“. Den Schluß der Beerdigung bildet der Leichentrunk mit Kaffee, Bier oder Wein und Leichenwecken. Im Hause, wo die Leiche lag, muß alles was lebt und

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Crailsheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1884, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OACrailsheim0114.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)