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Umsicht zu Werke ging, von dem alten Bau möglichst viel stehen ließ, und es ist wohl der Mühe werth, seinen Gedanken etwas nachzuspüren. Nur die südlichen Umfassungsmauern des alten Kirchenschiffes riß er nieder, verlängerte die Westwand noch weiter gegen Süden und benützte den Thurm sehr geschickt, um daran seinen neuen Chor westlich anzusetzen, wobei er zugleich den Thurm samt den stehen gebliebenen Theilen der alten Kirche als ein sehr stattliches, gegen 25 Fuß breites Seitenschiff beibehalten konnte. Um nun aber die Verbindung zwischen beiden Kirchen möglichst harmonisch durchzuführen, zog er an der Südseite seiner neuen Kirche nach dem Geschmack jener Zeit die Strebepfeiler nach innen, so daß entlang des Schiffes 5 rechteckige, 91/2 Fuß tiefe Kapellen entstanden, und an der Nordseite stellte er vier 7 Fuß tiefe rechteckige Freipfeiler auf, wodurch er wieder 5 (hier auch gegen Norden) offene Kapellen und zugleich eine Arkadenreihe, als Verbindung mit der alten Kirche, erhielt, und endlich ein sehr wirksames Widerlager für das prächtige über 33′ weite Netzgewölbe, mit dem er sein Hauptschiff überspannte, und dem durch die Seitenkapellen die sehr bedeutende Breite von 50′ zukommt. Deßhalb macht auch die Kirche in ihren neuen Theilen einen prächtigen und wirklich großen Eindruck, zumal ihre Länge 5mal die Mittelschiffbreite (nämlich 166′) beträgt. Hievon kommen zwei Breiten auf den 31′ breiten und ohne Triumphbogen 63′ langen Chor; an ihm stehen die Strebepfeiler nach außen und nur am Beginn des halbachteckigen Chorschlusses baut sich je eine rechteckige gewölbte Kapelle zwischen den Strebepfeilern hinaus. – Stellen wir zum Schlusse die so einfachen Zahlenverhältnisse der Kirche zusammen, so ergibt sich vollends die besonnene Thätigkeit Sporers. Länge der alten Kirche, jetzt des nördlichen Seitenschiffes, bis zum alten Chor im Thurm 100′, Länge der neuen Kirche bis zum neuen Chor ebenfalls 100′, Breite derselben samt den Kapellen zu beiden Seiten 50′ und ohne Kapellen 33,5′, bei einer Gesamtlänge von 166′, – also die ganze Kirche 5mal, das Schiff 3mal und der Chor 2mal so lang als die Schiffbreite ohne Kapellen; mit den Kapellen die Länge des neuen Schiffes 2mal seine Breite (s. auch den Grundriß). Die Höhe der Gewölbe beträgt vom Fußboden an 47 Fuß. 1

Bernhard Sporer muß, wie aus seinen Werken hervorgeht, ein bedeutender und selbständig schaffender Baumeister und namentlich ein trefflicher Bildhauer gewesen sein, deßhalb behandelte er auch die Baukunst in solcher Weise. Eigenthümlich eckig und fast verknöchert, aber nicht ungenial, erscheint seine Gothik und sind auch z. Th. seine Bildwerke behandelt, so jener Ecce homo an der Südwestecke der Kirche, mit reichem Baldachin über dem dornengekrönten Haupt. Die Muskulatur ist stark markirt, das edle Haupt mit langen Locken und sanft herschauenden Augen; die rechte Hand hatte wohl einst die

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0399.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)