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den geistigen Horizont des gemeinen Manns erweitern, der z. B. nunmehr um eine Lebensgefährtin nimmer verlegen zu sein braucht, wenn ihm eine solche im Geburtsorte nicht ansteht. So findet immer mehr eine Vermischung des Bluts durch Einheirathen Fremder statt, wo früher Alles mit einander verwandt und wohl oft ein Heirathen außerhalb der Verwandtschaft unmöglich oder verpönt war, und es vollzieht sich auch am Menschen, was als naturgesetzliche Beobachtung an Thieren längst wahrgenommen, theilweise durch direkte Versuche nachgewiesen worden ist, daß ohne Kreuzung der Race die Produkte der Ehe immer mehr entarten. 1

Seit Pettenkofer’s Untersuchungen über den Grundwasserstand, seine wechselnden Verhältnisse, seine Beziehungen zur Entstehung von Krankheiten u. s. w. die Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gelenkt, seit Elsäßer in den Wohnstätten ebener Erde, feuchten Wohnräumen überhaupt, vorzugsweise jene Form und jenes Anfangsstadium der englischen Krankheit (Rhachitis), beginnend mit dem sog. weichen Hinterkopfe (Craniotabis) gefunden hat, seit man in neuester Zeit den schädlichen Folgen der Überfütterung der Kinder – selbst mit der besten Muttermilch – noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken und deren Tragweite besser zu würdigen sich veranlaßt gesehen hat, als dieß früher der Fall war: – darf man in Sachen des Cretinismus auch die Controversen über den Einfluß eines harten Trinkwassers, eines Gehalts oder Mangels gewisser Bestandtheile des Bodens in den Nahrungsmitteln u. dergl. fallen lassen und vielmehr in denjenigen lokalen Verhältnissen, welche zu letzterer Krankheit der Kinder (Rhachitis) und zu Hirnentzündungen und Wasserergüssen in der Schädelhöhle hauptsächlich führen, den Hauptgrund der Entstehung einer Entartung des Menschen an so vielen Orten erkennen. – Fast überall sieht man die menschlichen Ansiedlungen den Wasserläufen folgen, da eben das Wasser eines der nothwendigsten Lebensbedürfnisse bildet. Das führt aber gewisse gesundheitsfeindliche Potenzen mit sich, zumal wo die Bauart der Wohnungen oder das Bewohnen tief gelegener Wohngelasse den Einflüssen des Untergrunds direkter aussetzt, wie z. B. in ebenerdigen, einstockigen Häusern mit kleinen, finstern, zu vielen Menschen, ja oft noch kleinen Thieren zum gleichzeitigen Aufenthalt angewiesenen, Stuben. Milne Edwards erwähnt, daß Personen, welche in Kellerwohnungen oder in sehr dunkeln, engen Straßen wohnen, sehr häufig mißgebildete Kinder bekommen, und daß Menschen, welche in den Bergwerken arbeiten, Krankheiten und Mißbildungen mehr unterworfen sind, als durch eine abgeschlossene stagnirende Atmosphäre allein zu erklären ist. Watson (Direktor der großen Taubstummenanstalt in London) hat berichtet, daß unter übrigens gleichen Verhältnissen mehr taubstumme Kinder aus dunkeln als aus hellen Wohnungen kommen. Sir James Willie hat berichtet, daß auf der

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0082.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)