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werden soll, da anderwärts, z. B. in der Beschreibung des Oberamts Maulbronn, wo mehrere Waldensergemeinden sich finden, darüber das Wesentlichste gesagt ist), noch immer nicht von der allgemeinen Völkervermischung absorbirt worden sind.

Es erklärt sich das Letztere unschwer aus dem Umstande, daß Israeliten gewöhnlich nur mit Israeliten, Waldenser am liebsten wieder mit Waldensern Ehen eingehen, wodurch es beiden gelungen ist, durch Jahrhunderte ihre Stammeseigenthümlichkeiten zu fixiren. Wenn einem anderen Momente ein ähnlicher Effekt, einer ganzen Bevölkerung ihren bestimmten, im Körperlichen wie im Geistigen sich ausprägenden Stempel – im Guten wie im Schlimmen – aufzudrücken, nicht abzusprechen ist, nämlich der Ausschließlichkeit der Beschäftigung und Lebensweise, so vermischen und verwischen sich in unserem Bezirke die Charaktere des spezifischen Waldbauers, Weingärtners und Bauers durch den überall hier vorkommenden Betrieb von Geschäften, welche gleichzeitig mindestens zwei der genannten Kategorien angehören. Bei solcher wechselnden Beschäftigung – heute mit Diesem, morgen mit Jenem – können sich bestimmte leiblich und geistig markirtere Individuen und Gesellschaftsgruppen nicht herausbilden, wozu noch der Umstand kommt, daß das Zusammenwohnen in größeren geschlossenen Ortschaften eine schärfere Individualisirung des Einzelnen, der von seinen Nachbarn immer mehr oder weniger annimmt, nicht aufkommen läßt, wenn auch Ortseigenthümlichkeiten dadurch zur Entwicklung kommen, der Art, daß gewissermaßen hier die Eigenart des einzelnen ganzen Orts und seiner Bewohner an die Stelle der Familien- und Personaleigenthümlichkeit, z. B. des anderwärts zu treffenden Einödebauern, tritt, der in seiner ganzen Charaktereigenthümlichkeit bei uns nicht repräsentirt ist. Wohl differiren Sitten, Gebräuche, körperliches und geistiges Verhalten sogar bei einer, zu einem geschlossenen Gemeinwesen vereinigten, größeren oder kleineren Zahl von Individuen öfters bedeutend von denen eines Nachbarorts, können kennzeichnend, selbst sprichwörtlich werden, verwischen sich aber unter dem überall nivellirend wirkenden Einfluß des zunehmenden Verkehrs, der vielfach gemeinsamen Interessen u. s. w. doch immer mehr.

Einem ausgeprägteren „Ortsgeist“ begegnet man – außer zu Nordhausen – noch in Dürrenzimmern, Hausen, Pfaffenhofen, Stethen, Schwaigern.

Will man die verschiedenen Gemeinden des Bezirks nach ihrer vorwiegenden Beschäftigung und Bevölkerung klassifiziren, so kann man als eigentliche Bauerngemeinden nur Massenbach und etwa Hausen bezeichnen, als Waldorte Häfnerhaslach, Ochsenbach, etwa auch Leonbronn, als Weinorte Neipperg, Haberschlacht, Stockheim u. s. w., in den übrigen Orten tritt bald mehr das eine, bald mehr das andere Element hervor, bei einer gleichzeitigen Beschäftigung mit mehreren

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)