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1. Böblingen. 119


von Amtleuten, Bürgern und Unterthanen, sowie von den zu den genannten Städten gehörenden Lehenleuten und Burgmännern, ja machte die Rechte der Landeshoheit unabhängig von Württemberg geltend (Reyscher Statutarrechte 371–378). Nach ihrem Tode wurde im Jahre 1483 Böblingen nebst zugehörigen Orten der Gemahlin des Grafen (nachherigen Herzogs) Eberhard im Bart, Barbara von Mantua, zum Wittum verschrieben; sie bezog wirklich im Jahre 1496, als sie Wittwe geworden, das Schloß Böblingen und verschied hier im Jahre 1503. In eben diesem Schlosse wohnte im Jahre 1520 Eva, Wittwe Graf Heinrichs von Württemberg.

Sowohl in tübingischer als in württembergischer Zeit war Böblingen der Sitz eines Vogts; der älteste bekannte ist Crafto advocatus de Bobelingen, den 1. September 1261 Zeuge Graf Rudolfs von Tübingen für das Stift Sindelfingen; in einer Urkunde vom 22. Juni 1327 für Kloster Hirschau nennt Graf Heinrich von Tübingen Otto Murdisen unsern Vogt zu Böblingen.

Der älteste bekannte Schultheiß von Böblingen ist Bur. (d. i. Burchardus) scultetus de Beblingen, in einer Kloster Marchthaler Urkunde vom 30. November 1303 genannt.

Was die Rechtsalterthümer betrifft, so besaß Stadt und Amt Böblingen zwei eigenthümliche Einrichtungen, das Neunergericht und das Bauerngericht, welche sich noch in später Zeit erhielten, wo ähnliche Abweichungen von den allgemeinen Landeseinrichtungen längst in Abgang gekommen waren. Das Neunergericht bestund jedenfalls schon im Anfang des 15. Jahrhunderts (K. Ferdinand bei seiner Bestätigung, gegeben im Jahre 1527, sagt, das Gericht bestehe seit Menschengedenken) und wurde noch im 17. Jahrhundert beibehalten; es waren dieß Abgeordnete der Amtsorte, meist Gerichtsverwandte, welche je in 3 Jahren so wechselten, daß drei austraten, und je ein ständiger Deputirter von Böblingen und Sindelfingen. Sie hatten unter dem Vorsitze des Vogtes zu Böblingen und unter Beiziehung des Amtsschreibers die Angelegenheiten des Amtes, Umlage des Amtsschadens etc. zu berathen und zu entscheiden. (Reyscher Statutarrechte 369, 390, 418.)

In Böblingen waren die Keßler und Spengler (Pfannenflicker) zünftig; sie feierten hier am 15. Juni ihren Jahrestag, wo sie ein, erst in diesem Jahrhundert aufgehobenes Gericht hielten, welches aus einem Schultheißen, einem Bürgermeister oder Rechnungsführer und vier Richtern bestund, welche sämmtlich von der ganzen Meisterschaft durch Stimmenmehr erwählt wurden. Mit klingendem Spiel, wobei einige von der Meisterschaft einen besonderen Keßlermarsch anstimmten, zog man mit der Handwerkslade


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Beschreibung des Oberamts Böblingen, Stuttgart und Tübingen 1850, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABoeblingen119.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)