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mehr langgestreckt und kahl sind, liegt der freundliche, ziemlich weitläufige Ort im weiten Thale der obern Beera, zugleich in die Thalmündung des von Westen kommenden klaren und munteren Kohlstattbrunnenbachs, der einen Theil des Dorfs durchfließt, eingeschmiegt. Die Straßen sind reinlich und gut gehalten, z. Th. gekandelt, die Häuser meist weiß getüncht, z. Th. aber mit sichtbarem Balkenwerk.

Fast in der Mitte des Orts, auf einem kleinen Hügel, vom gut ummauerten, wohlgeordneten und mit hübschen Stein- und Holzdenkmalen geschmückten Kirchhof umgeben, erhebt sich das alterthümliche Kirchlein mit vierseitigem, von einem Zeltdach gedeckten Thurm an der Südostseite. Es besteht nach Bauzeit und Bauart aus 2 Theilen, dem spätgothischen in 3 Seiten des Achtecks endigenden Chor, und dem nach einer Inschrift an der Südwestecke 1655 gebauten oder hergerichteten, mit flachbogigen Fenstern versehenen Langhaus. Das Innere, durch eine große Westempore und die Orgelempore im Chor etwas verdunkelt, zeigt im Schiff eine hübsche hölzerne Felderdecke. In den Chor führt ein von starken Pfeilern getragener Triumphbogen; er selbst zeigt schöne schlanke Verhältnisse und ein treffliches, leider der Orgel zuliebe etwas verstümmeltes Netzgewölbe; die Hauptrippen auf Konsolen, die aus verschlungenem Stabwerk in Baldachinform bestehen, aufruhend. Die Fenster haben Fischblasenmaßwerk. Der Taufstein ein merkwürdiges altes Werk mit hockenden 4 Unthieren am Fuß und gothischem Stabwerk am Becken. Die Nordwand des Schiffs ist durch ein gut gearbeitetes großes Kruzifix im Renaissancestil und durch eine schöne steinerne Tafel zur Erinnerung an den Krieg von 1870 geschmückt. Der Thurm enthält zwei hübsche neuere Glocken, die größere von Neubert in Ludwigsburg 1776, die kleinere von Kurtz in Reutlingen 1835. Die Kirche ist vom Ortsheiligen zu unterhalten. Pfarrhaus ist keines vorhanden, da der Pfarrer seinen Sitz in Thieringen hat.

Im obern Theil des Orts liegt das geräumige, stattlich moderne vielfenstrige Schulhaus, 1875–76 aus einer Korsettfabrik umgebaut; es enthält 2 Lehrerwohnungen und zwei Lehrzimmer. Es unterrichten ein Schul- und ein Unterlehrer. Das Rathhaus wurde 1854 aus einem Privathaus eingerichtet. Zehn Waschhäuser und ein Back- und Waschhaus gehören Privaten. Ein Armenhaus ist vorhanden. Die frühere Zehntscheuer wird als Schafstall benützt.

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0454.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)