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Der Rindviehschlag im Oberamt hatte im ersten Drittheil unseres Jahrhunderts bei weitem nicht denjenigen Werth und diejenigen guten Eigenschaften, wie gegenwärtig. Damals war ein geringer Albschlag, Thiere von kleinem und schwächlichem Körperbau, vorherrschend und mag zur Erwerbung dieses als Handelswaare weniger passenden Viehschlags, besonders die im Jahr 1796 wie sonst im Lande, so auch im Oberamt Balingen wüthende Rinderpest beigetragen haben. Erst in den 1840er Jahren war ein regeres Interesse für Verbesserung der Rindviehzucht im Bezirke wahrzunehmen, hauptsächlich durch den damals gegründeten landwirthschaftlichen Verein, welcher erstmals im Jahr 1843 22 Zuchtstiere, 6 Rinder und 1 Kuh, im Simmenthal in der Schweiz ankaufte. In den Jahren 1845, 1857, 1863, 1867, 1872 und 1873 wurden die Einkäufe fortgesetzt und so nach und nach 88 Farren, 1 Kuh und 31 Kalbinnen eingeführt und unter die Bezirksangehörigen verbracht – nicht eingerechnet solche Originalthiere, welche Gemeinden und Einzelne von Händlern oder aus der Schweiz selbst erworben haben. Dem ist es zu verdanken, daß der jetzt im Bezirk vorhandene Schlag den lokalen Verhältnissen entspricht. Wenn auch im Bezirke größere Viehstände mangeln, welche eher eine rationelle Zucht ermöglichen, so trifft man bei den kleinen Viehbesitzern einen guten Willen, Fleiß und Ausdauer, gespornt durch den größeren Verkaufswerth gut geformter Thiere und die wiederkehrenden Prämiirungen bei landwirthschaftlichen Bezirks- und Gaufesten.

Im unteren Bezirk mit seinen reicheren Futterernten befinden sich mehr Kreuzungsprodukte des Neckar- mit dem Simmenthalerschlag, während im obern Bezirk bei weniger reichen Futterernten mit wenig Ausnahme nur Kreuzungsprodukte des Alb- mit dem Simmenthalerschlag anzutreffen sind.

Sonst findet sich zerstreut im ganzen Bezirk, hauptsächlich in den Ställen ärmerer Viehbesitzer, Allgäuer-, Montafuner- und Albvieh.

Der einheimische Viehschlag, durch Milchproduktion sich auszeichnend, wurde durch Kreuzung mit Simmenthalern in der Art verbessert, daß er unter Beibehaltung seiner guten Eigenschaften auch als Arbeits- und Mastvieh mit besserer Form höher gestellt wurde und somit größeren Verkaufswerth bekam.

Die Rindviehzucht bildet eine sehr beträchtliche Nahrungs- und Einnahmequelle. Es wird sehr viel Vieh nachgezogen und in jedem Alter als Kälber, Schmalvieh, Stiere und Ochsen verkauft.

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0184.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)