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trugen, oder ob der spätere Baumeister sie sonst vorfand und hier sinnvoll benützte, ist nicht mehr zu entscheiden; doch scheint das letztere das richtigere. Die südliche Abside ward ums Jahr 1482 durch ein spätgothisches Chörchen ersetzt; der kräftige Sockel der nördlichen erhielt sich, wie auch die Wandsäulen mit Maskenkapitellen, die am Zusammentreffen der drei Absiden stehen. An der Südostecke des südlichen Seitenschiffes ragt vom alten Dachgesimse noch ein großer wagrechter Traufstein heraus, worauf in flacher Arbeit ein Löwe mit Menschenkopf ausgemeißelt ist.

An die Südseite der Kirche baut sich das Kloster an, und weiterhin die Sakristei, letztere errichtet in jenem prächtigen Übergangsstile, den wir an der Vorhalle der Kirche zu Maulbronn bewundern. Schlanke Bündelpfeiler tragen auf herrlichen Blätterkapitellen die zwei kraftvollen Rippenkreuzgewölbe, deren Schlußsteine wieder prächtige Blätterkränze zeigen; kleine rundbogige Doppelfenster durchbrechen die südliche Wand, in der östlichen sitzt jetzt ein spätgothisches Fenster. Eine schöne Kleeblattthüre führt aus dem südlichen Nebenschiff in die Sakristei.

Die im Westen stehende Vorhalle ist eine schlichte Pfeilerhalle, mit drei Rundbogen gegen Westen, einem jetzt vermauerten gegen Norden, und hatte von jeher, gleich der Kirche, eine flache Balkendecke. Jetzt ist tiefer unten als die ursprüngliche Decke ein sehr störender Heuboden eingezogen. Durch die Rückwand der Vorhalle führt das zweimal sich eintreppende Hauptportal in wahrhaft bedeutendem Sinne angelegt und mit den Leisten der Wand zusammengestimmt. Sein Halbrundfeld ist erfüllt von einem höchst merkwürdigen Relief: Christus Weltheiland, jugendlich dargestellt, in der Mandorla (dem mandelförmigen Heiligenschein), auf dem Regenbogen thronend, die Erde ist seiner Füße Schemel, er segnet mit der Rechten und hält mit der Linken ein großes Buch (das Evangelium) auf dem Knie. Die Mandorla wird getragen von zwei großen herschwebenden Engeln mit langen Flügeln; etwas weiter unten knieen zwei kleinere Gestalten in Klostertracht, nach Stillfried Graf Adalbert von Zollern und seine Gemahlin Irmengard; die Bewegungen der Gestalten sind ernst und feierlich, die Gewänder ganz fein gefältelt. Rings um das Bildwerk, das eines der wenigen frühromanischen unseres Landes ist, läuft ein Ornamentstreifen und im Bogen umher steht: EGO SVM OSTIVM DICIT DOMINVS PER ME SI QVIS INTRAT SALVABITVR. Am Bildwerke sind noch Spuren von Bemalung, wie auch die Eintreppungen des Portals mit farbigen Ornamentgeschlingen belebt waren;

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Oberndorf. H. Lindemann, Stuttgart 1868, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Oberndorf_177.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)