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sich sogar durch einen schönen, körperlich und geistig gesunden und kräftigen Menschenschlag, zumal beim weiblichen Geschlecht, sehr vortheilhaft vor vielen anderen Gemeinden des Bezirks aus, obwohl die hier eine mangelhafte und schwächliche Körperentwicklung wesentlich mitbedingenden Ursachen: Armuth, schwere Arbeit, enge, dumpfe Wohnungen etc. auch bei jenen vorhanden sind. Dasselbe läßt sich auch von dem Städtchen Haiterbach, dem Muschelkalk angehörig, in einem rasch abfallenden Seitenthälchen der Waldach liegend, sagen, obwohl im J. 1853 4 Cretinen dort aufgezählt wurden. Haiterbach und Unterthalheim liefern auch alljährlich verhältnißmäßig die meisten tüchtigen Leute für den Kriegsdienst, während aus den Wald-, und aus den übrigen Thalorten, mit Ausnahme der an’s Gäu grenzenden fast ausschließlich feldbautreibenden und wohlhabenden Gemeinden Sulz und Gültlingen stets eine große Zahl wegen allgemeiner Schwächlichkeit, Kropfs etc. ausfällt, wodurch die Contingentsgrenze alljährlich eine verhältnißmäßig hohe Zahl erreicht, namentlich den angrenzenden Bezirken Horb und Herrenberg gegenüber, denen die zahlreicheren wohlhabenden Gäuorte ein viel günstigeres Verhältniß in dieser Beziehung sichern.

Der bei beiden Geschlechtern häufige Kropf ist theils als die erste Andeutung des Cretinismus zu betrachten, theils ist er die Folge harter Arbeit in bergigter Gegend, insbesondere des schweren Tragens auf dem Kopf, daher auch beim weiblichen Theil besonders häufig, ohne Anlage zum Cretinismus. Die erstere Form beobachtet man namentlich in der Oberamtsstadt häufig bei Personen, die keinerlei geistige Entartung wahrnehmen lassen, in deren Familien aber das Hauptübel bei einzelnen Mitgliedern bald mehr, bald minder deutlich hervortritt.

Die oben als ein die günstigen Gesundheitsverhältnisse wesentlich bedingendes Moment hervorgehobene Beschäftigung und Lebensweise der Bezirksbewohner theilt sich, was erstere betrifft, in Ackerbau, Waldwirthschaft und Gewerbebetrieb, welche in den einzelnen Districten in verschiedenem Verhältniß combinirt sind. In den Waldorten sind es hauptsächlich die beiden ersteren, während in der ihren Mittelpunkt bildenden Stadt Altensteig, bei großem, aber entferntem Waldbesitz und kleinem für den Ackerbau tauglichem Areal, der Gewerbebetrieb, besonders die Rothgerberei, voransteht. In Haiterbach, Wildberg und der Oberamtsstadt werden Landwirthschaft und Gewerbe gleich stark betrieben, in ersterem Orte vorzugsweise die Küblerei, in beiden letzteren die Wollweberei und Gerberei.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Nagold. Karl Aue, Stuttgart 1862, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Nagold_045.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)