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Reinerzau bedeutende Zuflüsse, namentlich außer mehreren minder namhaften: den Teufelsbach, das Hüttenbächle und den Röthenbach, so daß es von der sog. Berneck (der nördlichste Theil des Orts) floßbar wird und hiedurch den Bewohnern des holzreichen Thals zu Gewerbe und Handel äußerst nutzbringend wird. Beim Abgange des Schnees und nach anhaltenden Regengüssen tritt die kleine Kinzig öfters stark aus und richtet großen Schaden an, wie in den Jahren 1752, 1760, 1761, 1807, 1809, 1815, 1819 und 1824. In letzterem Jahre stieg das Wasser in der Nähe der Kirche 10′ und weiter unten sogar 17′ über den gewöhnlichen Wasserstand; auch im Februar 1827 erreichte es die ungewöhnliche Höhe von 7′. Das Flüßchen ist fischreich und führt hauptsächlich viele Forellen; das Fischrecht hat der Staat, welcher es an Ortsbürger verpachtet. In einer tief verborgenen Waldschlucht am Schwarzenbühl bestand früher ein ziemlich großer See, der sog. alte Weiher, der längst trocken liegt, indeß weiß das Volk noch verschiedene Mährchen von Nixen des ehemaligen Sees zu erzählen. An den Ufern desselben soll ein Kloster gestanden seyn, wie denn noch einzelne behauene Steine herumliegen; vermuthlich stand hier ein Waldbruderhaus. Im sog. Büstenloch, etwa 1/2 Stunde nördlich von der Berneck befindet sich ein malerischer, gegen 80′ hoher Wasserfall.

Die Einwohner sind im Allgemeinen großgewachsene, kräftige Leute, deren Haupterwerbsquellen in Flößerei, Holzhandel und Waldarbeiten bestehen; in Folge dieser Beschäftigungen trifft man bei ihnen neben körperlicher Abhärtung eine gewisse Derbheit, die zuweilen in Rohheit ausartet. Die Einwohner theilen sich in Hofbauern und Taglöhner; erstere sind zum Theil sehr wohlhabend und besitzen neben beträchtlichen Feldgütern ausgedehnte Waldungen. Der gewöhnliche Güterbesitz beträgt 75 Morgen Felder und 50–60 Morgen Waldungen. Die Höfe, deren meist zusammenhängende Güter ohne Flurzwang bewirthschaftet werden und nächst den Hofgebäuden liegen, fallen meist nach dem Tode des Besitzers unvertheilt an das jüngste Kind, Sohn oder Tochter, während die älteren Geschwister ihr Auskommen als Taglöhner zu suchen haben.

Nicht nur das in den eigenen Waldungen erzeugte, sondern auch in Staatswaldungen aufgekaufte Holz wird als Langholz auf der von der Berneck an floßbaren Kinzig verflößt und in Schenkenzell an badische Holzhändler mit Vortheil abgesetzt, was ein rühriges Treiben in dem sonst abgelegenen, einsamen Thale hervorbringt. Die Taglöhner arbeiten in Gemeinschaft mit den Knechten, deren jeder Bauer mehrere hat, das ganze Jahr hindurch in den Waldungen und bei

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Karl Aue, Stuttgart 1858, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Freudenstadt_300.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)