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zuweilen an der Wetterseite die Schindelverkleidung, was gerade nicht den angenehmsten Eindruck hervorruft. Dagegen nehmen sich die Schindelwände, meist roth, aschgrau oder gelblich getüncht, besonders bei ansehnlichen Bauernwohnungen recht gut aus; die Fensterläden sind häufig mit Blumen bemalt oder mit ansprechenden frommen Sprüchen versehen, die nicht selten auch über den Hausthüren ihre Stelle finden. Die Bedachung, zum Schutz gegen Wind, Regen und Schnee meist ziemlich weit vorstehend und in den rauheren Gegenden des Bezirks an einzeln stehenden Häusern beinahe bis auf den Boden reichend, besteht in den Dörfern größtentheils aus Ziegelplatten, die allmälig die Stroh- und Schindeldächer verdrängen; solche halten sich indessen bei den einzeln stehenden Wohnungen immer noch, indem sie abgesehen von Feuergefährlichkeit wärmehaltender und dem Eindringen von Regen und Schnee weniger zugänglich sind, als die schwereren Ziegeldächer. Die Zimmer (Stuben) sind nicht selten sehr geräumig, durchaus getäfelt und die ebenfalls getäfelte Decke wird häufig von einer in der Mitte der Stube stehenden, hölzernen Säule unterstützt. Die kolossalen irdenen Öfen (Kachelöfen) reichen weit in die Stube herein, und die Bank (Pritsche) darf in der Nähe derselben nicht fehlen. Die einzelnen glasirten Ofenkacheln sind meist mit Bildwerken (Jagdstücke etc.) und erbaulichen Reimen geziert. In dem westlichen Theile des Bezirks, namentlich in den engen, abgelegenen Waldthälern trifft man nicht selten noch ächte Gebirgswohnungen, ganz von Holz aus übereinander gelegten tannenen Balken bestehend; unter dem weit vorstoßenden Schindel- oder Strohdache läuft am zweiten Stockwerke ein einfacher Balkon, meist mit Nelkenstöcken geziert, die kunstlos gehalten weit über die Brüstung herunterhängen und mit ihren mannigfaltigen Blumen dem Wanderer freundlich entgegenwinken. Derartigen, äußerst malerischen Gebäuden fehlt zuweilen das Kamin, so daß der Rauch zu den Dachöffnungen und Dachläden hinauszuziehen genöthigt ist. Im Allgemeinen herrscht in dem Bezirke der Tannenholzbau vor, obgleich in den größeren Orten häufig steinerne Unterstöcke – auch zuweilen ganz steinerne Gebäude vorkommen. Als Bausteine benützt man allgemein den bunten Sandstein, und in dem südöstlichen Theil des Bezirks nur ausnahmsweise den Hauptmuschelkalk. In architektonischer Beziehung zeichnen sich aus die im romanischen Style erbaute Kirche zu Reichenbach und wegen ihrer seltsamen Bauart die Kirche zu Freudenstadt. 1

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Karl Aue, Stuttgart 1858, Seite 066. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Freudenstadt_066.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)