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Wien.

Wenn wir noch knieen könnten, wir lägen auf den Knien;
Wenn wir noch beten könnten, wir beteten für Wien!
Doch lange schon verlernten wir Kniefall und Gebet –
Der Mann ist uns der beste, der grad und aufrecht steht!

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Die Hand ist uns die liebste, die Schwert und Lanze schwingt!

Der Mund ist uns der frommste, der Schlachtgesänge singt!
Wozu noch bittend winseln? Ihr Männer, in’s Gewehr –
Heut ballt man nur die Hände, man faltet sie nicht mehr!
Es ist das Händefalten ein abgenutzt Geschäft –

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Die linke an die Scheide, die rechte Hand an’s Heft!

Die Linke an die Gurgel dem Sklaven und dem Schuft,
Die Rechte mit der Klinge ausholend in der Luft!
Ein riesig Schilderheben, ein Ringen wild und kühn –
Das ist zur Weltgeschichte das rechte Flehn für Wien!


Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Freiligrath: Neuere politische und sociale Gedichte. Erstes Heft. Zweiter Abdruck.. Selbstverlag des Verfassers, Köln 1849, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuere_politische_und_sociale_Gedichte_Freiligrath_1849.pdf/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)