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gütig sind ja alle deine Bestimmungen. Monate lang lässest du das Kindlein unter unserm Herzen ruhen, bis es zum Leben reift; um uns hierdurch Frist zu gewähren zur Vorbereitung auf die großen, schweren Mutterpflichten, und zur Erlangung derjenigen Kenntnisse und Einsichten, die uns noch dazu mangeln. Leiden und Schmerzen hast du damit verbunden, denn jeder Schmerz, jedes Unbehagen, das wir fühlen, soll uns zurufen, das wir Mutter werden und uns die Erinnerung vor die Seele führen, welcher hohen Aufgabe und Bestimmung wir entgegen gehen! Und warum sollten wir auch nicht gern die flüchtigen Leiden dulden, und freudig eine so segenvolle Bürde ertragen; warum sollen wir nicht gern verzichten auf so manche Bequemlichkeiten und Genüsse, und manches Opfer auf uns nehmen für die süßen erquickenden Mutterwonnen, für den beglückenden Kindersegen, der uns zu einem fruchttragenden Baum in der Gemeinde Gottes macht, der uns fortblühen läßt in unsern Kindern, der uns so reich und glücklich macht durch den kostbaren Schatz der Kindesliebe und Kindestreue.

Um Eines nur bete ich zu dir, mein Gott, der du mich bis hierher so mild und barmherzig hast geleitet, und mich in jeder Noth und Gefahr deiner Hilfe hast theilhaft werden lassen. Mögest du auch in dieser verhängnißvollen Zeit deine Gnadenhand nicht von mir abziehen; mögest du mir Kraft und Ausdauer verleihen, in Geduld und Heiterkeit die Leiden und Beschwerden meines gegenwärtigen Zustandes zu ertragen, und freudig und muthig die Opfer zu bringen, die sich daran knüpfen, mögest du mir nahe sein mit deinem Beistande, wenn die schwere entscheidende Stunde, die Stunde der Entbindung mir nahet.

Mögest du, Allvater, die zarte Frucht in mir gedeihen und reifen lassen, zu einem gesunden, fehlerfreien Kinde, und es segnen mit einem kräftigen Körper und einer schönen frommen Seele. Gib mir auch Standhaftigkeit, Vorsicht und Mäßigung, um Alles zu unterlassen, was dem jungen Keime in mir nachtheilig und schädlich sein könnte, daß ich dessen eingedenk, mich wahren möge vor jedem verderblichen Einflusse, und mich nimmer hingebe den Leidenschaften und den bewältigenden Aufregungen des Gemüthes: der Angst, dem Zorn, dem Kummer und Gram, und was sonst die Ruhe der Seele trübt und erschüttert. Mögest du mich erhören, Gott, mein Hort, auf den ich hoffe und vertraue. Amen.

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)