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Möge, o Gott, diese Reinheit, diese Unschuld des Herzens, die wir uns heute vor dir errungen, nimmer von uns scheiden, möge der Adel der Gefühle, dessen wir uns heute sind bewußt geworden, uns begleiten bis zum Neigen und Scheiben unsres Lebenstages, damit unsre Seele dereinst, wie nach einem heiligenden und verklärenden Versöhnungstage, voll Reinheit und Unschuld die Erde verlasse, um zu dir einzugehen in die himmlischen Wohnungen des Jenseits. Amen.


An den ersten Tagen des Laubhüttenfestes.[1]

Das Fest der Hütten sollst du feiern sieben
Tage lang.
 (5. B. M. 16, 13.)

Abermals ist ein Fest für uns eingetreten, ein Fest, ganz verschieden von dem, das wir erst jüngst begangen. Jenes feierten wir durch Thränen und Bußübungen, durch Kasteiung und Entbehrung, dieses feiern wir in Freuden mit Jubel und Lobgesängen, wie da geschrieben steht: „Und ihr sollt Euch freuen vor dem Ewigen, eurem Herrn, sieben Tage lang.“ Und wie sollte nicht Heiterkeit und Frohsinn unser Herz durchdringen, wie sollte nicht heilige Freude unsre Seele füllen, nachdem eben dieses Fest der Versöhnung vorangegangen, und nachdem du, mein Gott, genommen hast von uns unsre Schuld, und uns frei gemacht von unsern Sünden! Wie hätte das, vom Bewußtsein der Schuld gedrückte Gemüth sich einem Freudenstrahle erschließen können, wenn du nicht die versöhnende Hand uns gereicht, und unsern Namen nicht gelöscht hättest aus dem Buche der Schuld. Doch nicht nur versöhnt hast du uns, nicht nur die wohlverdiente Strafe unserm Haupte entnommen, sondern in Liebe und Freundlichkeit hast du dein Angesicht uns wieder zugewendet. Nicht wie der Herr dem Knechte


  1. Das Suckoth- oder Laubhüttenfest beginnt am Abend des vierzehnten Tischri und dauert ursprünglich nach dem Gebote der Schrift acht, bei uns jedoch neun Tage. Die Bedeutung dieses Festes ist die Erinnerung an die wunderbare Erhaltung und Verpflegung unserer Voreltern während ihrer Wanderung durch die Wüste, wo sie in offenen, freien Zeiten wohnten. Es ist zugleich, da es im Herbste gefeiert wird, ein Dank- und Erntefest.
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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/76&oldid=- (Version vom 1.8.2018)