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Habe ich nicht durch unbesonnene und thörichte Aeußerungen über das Heilige und Erhabene mich vergangen und versündigt?

War ich niemals die Anstifterin zum Bösen, und habe ich niemals das Schlechte und Verwerfliche befördert, anstatt es zu unterdrücken?

Habe ich nie verabsäumt, mich belehren und unterrichten zu lassen über das, was mir Pflicht ist zu thun und zu lassen, und bin derart der Sünde verfallen durch selbstverschuldete Unwissenheit?

Habe ich mich niemals und durch Nichts zur Ungerechtigkeit verleiten und bestechen lassen?

Habe ich niemals zur Lüge meine Zuflucht genommen, zur Heuchelei und Gleißnerei?

Habe ich niemals dem Spotte und der Lästerung Beifall gezollt, statt des Gehöhnten und Gelästerten mich anzunehmen?

Habe ich nie das Gute getan des Lohnes halber, und dem Hilfsbedürftigen die Hilfe gewährt für Zins und Entgelt?

Habe ich nie eitel und hochmüthig das Haupt erhoben meiner Eigenschaften halber, und im eiteln Dünkel vergessen, daß du es bist, der sie mir gegeben in deiner Huld, ohne mein Verdienst?

Blickte ich nie mit scheelen Augen auf das Glück meiner Mitmenschen, und beneidete ich nie den, welchen ich vor mir bevorzugt glaubte?

Habe ich mich nicht vergangen durch eitle Hoffnungen, und Wünsche vor dir ausgesprochen, die thöricht und sündhaft sind?

Blickte ich niemals stolz auf den Armen und Geringgestellten, und habe ich in dem Unglücklichen und Dürftigen auch stets den Menschen in deinem Ebenbilde erkannt und gewürdigt?

Habe ich mich nie schuldig gemacht der Anmaßung und der Härte, und war mein Blick und Wort stets sanft und mild, wie es dem Weibe gebührt und geziemt?

War ich nie engherzig bei meinen Hilfeleistungen, habe ich meine Spenden nicht eng und kärglich zugemessen, und gab ich stets, wo ich geben konnte, mit Freudigkeit und Freundlichkeit im Blick und Herzen?

Bestand ich nie hartnäckig auf meinen einmal gefaßten Ansichten, wenn gleich erfahrene und einsichtsvolle Menschen mir dagegen ihre Gründe angaben, scheuete ich mich nie mein Unrecht zu

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)