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und der Buße, das wir am Abend begannen, fortzusetzen. Die Schauer der Andacht durchbeben jedes Herz, alle Lippen regen sich in inbrünstigem Gebete und reuig klopft der Sünder an sein Herz und kehrt um von seinen Wegen, um zu dir zurück zu kehren.

Niedergedrückt und gebeugt stehe auch ich vor dir, Allbarmherziger, das Herz wund von dem scharfen Stachel der Reue, den Blick gesenkt in tiefer Scham und mit heißen Thränen lege ich vor dir das schmerzvolle Bekenntniß ab: Gott, mein Gott, ich habe gesündigt, ich habe gefehlt und gefrevelt, und oft gethan, was schlecht ist und ungerecht in deinen Augen. Traurig und zerknirscht werfe ich den Blick zurück auf meinen Wandel, und ach, wie Vieles, tritt mir da als nagender Vorwurf entgegen, wie Vieles, das ich in schwerer, herber Selbstanklage als eine Frucht der Verirrung und der Versündigung meines Lebens erkennen muß! Angstvoll poche und klopfe ich an mein Herz und frage mich:

Habe ich nicht so viel Sündiges wissentlich und absichtlich, oder auch ohne Wissen und Absicht begangen und in mir genähret?

Bin ich nicht in des Herzens Härte gewandelt, habe ich nicht mein Gemüth verschlossen den Lehren des Heils und den Ermahnungen zum Guten, wo sie aus deiner heiligen Schrift und aus dem Munde deiner Diener mir entgegen tönten?

Habe ich nicht aus Unverstand gegen deine Wege gemurret, und habe ich nicht in meiner Kurzsichtigkeit an deiner Huld und Gnade gezweifelt, wo sie sich mir nicht so offen und sichtbarlich dargestellt?

War ich nicht leichtfertig und unbesonnen in meinen Reden und Aeußerungen, erwog ich stets jedes Wort, ehe es über meine Lippen kam und habe ich die Gabe der Sprache, mit der du den Menschen gesegnet hast, stets zum Guten angewendet?

War mein offenes und geheimes Leben stets ein gleiches, und war ich niemals schwach genug, äußerlich das zu bekennen, was ich im Innern verleugnete, und wiederum anderes zu verschweigen und zu verheimlichen, was ich pflichtgemäß hätte aussprechen und offenkundig machen sollen?

Habe ich stets der Sittsamkeit mich beflissen, und niemals den Geboten weiblicher Keuschheit und Schamhaftigkeit zuwider gehandelt?

Habe ich niemals durch meine Worte Anstoß und Aergerniß gegeben, niemals meine Lippen entweiht durch unzüchtige und unsittliche Redensarten?

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/64&oldid=- (Version vom 1.8.2018)