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nimmer zum Heile gereichen, der Gottessegen flieht dich. Du hast deine Hand befleckt mit der gemeinsten, der niedrigsten aller Thaten, und Gott, der Reine, der Lichte und Hehre, wendet zürnend sein Antlitz von dir ab!

  1. „Du sollst nicht falsches Zeugniß ablegen.“

Wie viel Unheil und Frevel bringen wir durch falsches Zeugniß in die Welt. Wenn wir auch nicht mit eigener Hand das Verbrechen üben, fördern wir dasselbe doch nicht minder durch die falsche Aussage vor Gericht, und führen oft durch ein einziges Wort das Laster zum Sieg und Triumph, wir verleiten den Richter zu ungerechtem Urtheil und bedrücken die Unschuld, die zu Gott um Rache wider uns ihre Stimme erhebt. Wir glauben vielleicht zuweilen, das Unrecht, das wir begünstigt, sei gar nicht groß, sei gar sehr zu entschuldigen. Doch wer kann jemals die Tragweite der Sünde bemessen? Das Böse muß Böses, das Unrecht muß Unrecht gebären. Haben wir einmal der Sünde die Hand gereicht, ehe wir uns versehen, dehnt sie sich aus, wird weiter und größer, umspinnt uns so mit ihren verderblichen Netzen, daß wir ihr nimmer entkommen und uns mit Schrecken ihr verfallen sehen.

  1. „Du sollst nicht Gelüste tragen nach deines Nächsten Gut.“

O Neid, du Quelle aller Laster! Was wir als eigen besitzen, was die Gnade Gottes uns bescheert, machst du in unsern Augen gering und unscheinlich, nur das, was unser Nächster besitzt, übertünchst du mit Glanz und Schönheit, nach dem richtest du unsere Wünsche, stachelst du unsere Begierden. Du jagst den Frieden aus unserem Herzen, machst unser Leben zur Hölle; aus dem Himmel eines zufriedenen Gemüths stürzest du uns in die Tiefen des Unfriedens und der Zerrissenheit mit uns selber. Drum will ich mich hüten vor dem Neide, vor den Gelüsten nach Andrer Besitz und nach dem, was Gott in seiner Allweisheit nicht für gut gefunden, mir zuzutheilen.

Lob und Preis dir, Allvater, für diese göttlichen, beseligenden, heilbringenden Lehren und Satzungen. Heil dem, der ihnen Herz und Seele öffnet und sie darin eingräbt mit diamantner Schrift. Sie sind uns ein theures Angebinde deiner Huld und Treue, mein Gott, wir wollen sie in unserem Herzen tragen, sie an die Pfosten unsres Hauses befestigen, sie an unsre Hand und Stirne knüpfen, damit sie uns stets vor Augen bleiben und unsre Richtschnur werden fürs Leben, damit in ihrem Lichte unsre Augen sich der Wahrheit

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)