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Allein dem Reichen und Bessergestellten ist es ein Leichtes, für seine Töchter eine vollständige Geist und Herz bildende und veredelnde Erziehung zu erlangen; denn er hat die Mittel, ihnen tüchtige Erzieher und Erzieherinnen zu geben, die mit Weisheit und Umsicht das Heil ihrer Zöglinge erstreben. Oder er vertraut sie der Obhut von Töchterschulen an, wo vielfache Lehrkräfte sich vereinend, ihre hohe Aufgabe zu lösen sorgsam bemühet sind, und fest und unermüdlich ihrem Ziele zuschreiten.

Derart ist für die Vermöglichen gesorgt. Was sollen jedoch die Mittellosen oder gar die Armen beginnen, denen nicht weniger, ja noch dringender, ein verständiger Unterricht Noth thut? Nützliche Kenntnisse könnten ihnen eine Versorgung eröffnen, ihnen einen heitern Lebensweg anbahnen, während ohne dieselben die Armen an ihre Dürftigkeit und ihr Elend ewig gefesselt bleiben. –

Drum, wenn unter allen humanistischen Geburten der Neuzeit die Lehr- und Erziehungsanstalten für die weibliche Jugend die meiste Würdigung gefunden, und ihre segensreichen Wirkungen allenthalben unverkennbar sind: so sind doch jene die preiswürdigsten, deren Stiftungen dahin lauten: die Mittellosen unentgeltlich aufzunehmen, und die derart, wie die Sonne den Höhen und Niederungen ihre lebenspendenden Strahlen in gleichem Maße sendet, so über Reiche und Arme die Wohlthaten und Segnungen ihres Unterrichtes gleich ergießen! Ihre Stifter haben sich in ihnen ein Denkmal gesetzt, das sicherer als alle Monumente von Gold und Marmor ihre Namen verewigt.

Aber leider haben nur sehr wenige unserer Gemeinden derartige Anstalten. Ich kann mich deshalb nicht erwehren,

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/163&oldid=- (Version vom 1.8.2018)