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doch was du auch über uns verhängst, es ist zu unserm Heile. Du bist ja unser Vater und wir deine Kinder, du unser König und wir dein Volk, du unser Hirte und wir deine Heerde – wie solltest du etwas Anderes über uns beschließen, als das Heilvolle.

So laß mich denn, mein Gott, in deiner Liebe und Treue meinen Trost finden. Laß mich durchdrungen sein von den erhebenden, besänftigenden Lehren und Worten deiner geheiligten Religion. Stärke mich in dem seligen Glauben, daß du mein verklärtes Kind liebevoll und freundlich in deine himmlischen Wohnungen hast hineingenommen, um seine reine Seele zu entziehen der Sünde und den Verirrungen dieses Lebens, es zu bergen vor Erdenschmerz und Trübsal.

So laß, Allgütiger, mein Kind als lichter Engel auf mich herabschauen, daß sein verklärtes Bild mir stets vorschwebe; laß seine Stimme mich warnen, wenn ich in Gefahr bin vor dir zu fehlen; laß sein Auge mir strahlen, wenn ich etwas Verdienstliches geübt, und laß mich einst von ihm empfangen, wenn du mich einst heimberufen wirst in dein Himmelreich. Amen.


Auf dem Grabe eines Verwandten.

„Der Mensch ist dem Hauche gleich,
seine Tage dem Schatten, der vorüberwallt.”

Theure (r) Hingeschiedene (r), du warst mir werth und lieb im Leben, und ich komme auf deine Ruhestätte, um deiner verklärten Seele im Jenseits noch meine Gefühle der Liebe zu zollen, und hier zu Gott für deinen ewigen Frieden zu beten. Möge der Allgütige meine frommen Wünsche für dich erhören, möge deinen Gebeinen sanfte Ruhe, und deinem Geiste des Himmels Seligkeiten und Freudenfülle werden!

Hier, in dieser stillen Behausung des Todes, sollte der Mensch sich oft ergehen, um stets der Nichtigkeit alles Irdischen sich bewußt, und seiner höhern Bestimmung auf Erden eingedenk zu bleiben. – Was ist das ganze Erdenleben! Eine Spanne Zeit und wir stehen am Grabe. Unser Lebensweg, ob er mit den Blüthen der Freude und des Genusses sich bekränzt, und das Glück und der Reichthum mit uns Hand in Hand wandelt, oder ob er

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/145&oldid=- (Version vom 1.8.2018)