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Meeres, seine wilden Fluthen stürmen hoch empor, und ach, dieses schwache, schwankende Bretterhaus wird zum Spielball der sich thürmenden Wellen und Wogen. Doch fasse Muth, mein Herz, verzage nicht; inmitten der Gefahren und der Schrecknisse, die mich umdrohen, bin ich nicht allein, ist Gott der Allgewaltige, Allerbarmende bei mir. Auf den brausenden Wogen und Fluthen webt und schwebt sein Geist, durch der Wogen wildes Toben tönt die Stimme des Herrn. „Stimme Gottes ziehet hin über die Wasser, Stimme Gottes über die mächtigen Wasser.” Zu dir, Allmächtiger, der du gebietest den zürnenden Fluthen, der du befiehlst den wilden sich blähenden Schwingen des Sturmes, zu dir flehe ich und bete ich aus tiefer angstergriffener Seele: Hilf uns, Vater, und stehe uns bei, gib uns nicht preis dem Verderben, laß uns nicht zur Beute werden dem Abgrunde, der uns zu verschlingen droht. Breite die Fittige der Allmacht über unser Haupt, und führe uns gnadenvoll über die unheilschwangeren, furchtbaren Tiefen hinweg, zum sichern Port, zum Rettungsufer ans geliebte, ersehnte Land, und alle Tage meines Lebens will ich dir danken, und wandeln stets den Weg der Frömmigkeit und der Gottesfurcht, den Weg der Milde und der Liebe. So mögest du mich erhören in deiner Huld und Barmherzigkeit. Amen.


Nach zurückgelegter Seereise.

„Sein ist das Meer, er hat es geschaffen,
Und das trockene Land, das haben seine Hände geformt.”
 (Ps. 95, 5.)

Mein Gott! Lob und Preis dir. Wieder stehe ich auf festem Boden, wieder dehnt sich unter meinen Füßen die freundliche Erde mit allen ihren lachenden Schönheiten aus. Aus der Tiefe meiner Seele danke ich dir, Allgütiger, der du mich so huldreich beschützt auf der gefahrvollen Meerfahrt, wo nur ein schwaches, schwankendes Brett mich von dem Abgrunde trennte, in dessen grauenvoller Tiefe Tod und Verderben lauern. Du, o Gott, bist der Welten Herr, „über den Wassern schwebt dein Geist,” deine Gnade war mit mir. Durch Klippen und Strömungen, durch Wellen und Wogen hast du mich ungefährdet hindurch geführt.

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/137&oldid=- (Version vom 1.8.2018)