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Gebet beim Eintritt in das Gotteshaus.

„Eine feste Burg ist unser Herr,
Dorthin flüchtet sich der Fromme,
     und geschützt ist er.”
 (Sp. 18, 10.)

Sei mir gegrüßt, du heiliges, stilles Haus, du freundlicher Tempel des Herrn! Seid mir gesegnet, ihr geweihten Hallen! Hier wohnt und thront der Herr unter uns, hier strahlet mir entgegen die Glorie des Allmächtigen, umschwebet mich seine Weihe, seine Heiligkeit!

Niedergebeugt und gedrückt von den Kümmernissen des Lebens betrete ich diese Schwelle, und siehe, ein höherer Geist ziehet in mein Herz ein, es schwindet die Sorge, und die Beklommenheit meiner Seele weicht dem inbrünstigen, thränenreichen Gebete, das meinen Lippen entströmt. „Ja hier ist eine Stätte Gottes, und hier eine Pforte, die zum Himmel führt.” Ueberall bist du, mein Gott, mir nahe, doch hier am nächsten! Hier fühle ich mich geborgen und gesichert unter deinem Schutze, mein himmlischer Vater! Hier fühle ich mich geschirmt vor des Lebens Anfeindungen und Versuchungen, hier bringt meine Seele dir ihre Opfer, weihet ihr Leben dir, ihrem Hort und Schöpfer, offenbart dir alle ihre tiefsten Wünsche, ihre verborgensten, geheimsten Regungen.

Draußen im Gewirr und Gewühle der Welt, da steht das Leben mit all seinen Lockungen und Verführungen, mit all seinen Hemmnissen und Beschwernissen, gleich einer Scheidewand zwischen meinem Herzen und dir, meinem Gotte, aber mit dem Eintritte in diese stillen, einsamen, heiligen Räume fällt die Scheidewand, stürzt die Schranke zusammen, und meine Seele erhebt sich zu dir voll Innigkeit und Inbrunst, voll von den heiligen Schauern der

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)