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der Gebeugten und erhebst die Seele der Schwachen. Zu dir empor erheben sich meine Blicke, „wie des Kindes Auge zu seinem Vater, wie die Blicke der Magd auf ihrem Herrn ruhen.”

Siehe, Herr, vereinsamt und verlassen stehe ich im Leben, mein Gatte, meines Hauptes Krone, meines Hauses Stütze, meiner Kinder Hoffnung ist nicht mehr; du hast ihn in deiner unerforschlichen Waltung von hinnen genommen, und einberufen in ein besseres Sein. Allein soll ich nun sorgen für meines Lebens und meines Hauses Bedarf, allein sorgen für die Erziehung und Ernährung meiner Kinder, soll ihnen nun Führer und Leiter, Stab und Stütze sein, ich, ein schwaches, unerfahrenes Weib, selber der Führung und Leitung, des Rathes und Beistandes so sehr bedürftig!

Du, o Gott, bist der Vater der Waisen, der Vertreter der Wittwen, der Schutz aller Schwachen und Bedrängten, dich rufe ich an aus der Tiefe meines bekümmerten Herzens. Stehe mir bei in deiner Barmherzigkeit, laß mich nicht verkümmern in meiner Verlassenheit, laß mich nicht erliegen unter der Last meiner Sorgen und Kümmernisse; laß gelingen was ich unternehme und lege deinen Segen auf das, was ich erwerbe, denn dein Segen macht das Kleine groß, das Wenige ergiebig, das Geringfügige zu einer Quelle großen Heils. Nur Gottes Segen macht reich.

Erleuchte mich, Allgütiger, und stärke mich in dem schweren Werke der Erziehung meiner Kinder, daß ich ihnen die Umsicht und die Kraft des Vaters ersetze, daß ich sie stets leite den Weg der Tugend und der Frömmigkeit und sie heranbilde zu guten, rechtschaffenen Menschen, zu geachteten und nützlichen Mitgliedern ihres Volkes und Vaterlandes.

Laß mich, Allbarmherziger, Wohlwollen und Freundlichkeit finden in den Augen der Menschen, daß ich treuen Rath und redlichen Beistand finde, wo ich ihrer in meiner Verlassenheit bedarf.

Erleuchte Du den Verstand Derer, die mir mit ihrem Rathe beistehen, und stärke du den Muth Derer, die zur Vertretung der Wittwe sich erheben, laß sie freudigen Lohn finden in dem Bewußtsein, ein Schutz der Schwachen und Hilflosen zu sein, und gib ihnen deinen göttlichen Segen für Alles, was sie für mich thun.

Auf dich, Herr, der du erhörst die Bitte der Demuthsvollen, auf dich hoffe ich, auf dich vertraue ich, in deiner Hand liegt mein Schicksal, ich setze meine Zuversicht in deine Verheißung. Ein

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Fanny Neuda: Stunden der Andacht. Wolf Pascheles, Prag 1858, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuda-Stunden_der_Andacht-1858.pdf/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)