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Verhältnissen. Sie konnten das mit Bitten nicht mehr erreichen, was sie vielleicht früher mit Gewalt hätten durchsetzen können. Sie beklagten nun sich und ihren Sohn, daß sie nicht früh genug mit seinem unordentlichen Leben und mit seinen bösen Gesellschaften bekannt geworden wären, und es fehlte dann nicht an Vorwürfen von beiden Seiten. Nichts war indeß Heinrich bitterer, als wenn sie ihm seinen Jugendfreund stark zum Muster aufstellten. Er verachtete sich selbst, daß er so schlecht sein gegebenes Versprechen hielte!

So mochte nach Karls Abreise ein halbes Jahr verflossen sein, als Heinrich auf einmal den Entschluß faßte, sich auf die Wanderschaft zu begeben. Seine Eltern willigten ein, in der Hoffnung durch Trennung von seinen Kameraden möchte es ihm leichter werden, zu Ordnung und Sitten zu gelangen. Doch konnte die Mutter ein unheimliches Gefühl nicht unterdrücken, und ein Schauer überfiel sie allemal, wenn sie an Heinriche Wanderschaft dachte. Sie hörte nicht auf, ihn zu lieben, weil bei all seinem bösen Thun sein Herz nicht ohne Güte, und sein Wesen nicht ohne einnehmende Gefälligkeit war. Es blieb beschlossen, und Heinrich stand zur Abreise bereit. Seine Mutter hielt ihn in ihren Armen, als wenn sie sich nicht von ihm trennen, ihn nicht loslassen

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Hermann Adam von Kamp: Natur und Menschenleben. G. D. Bädeker, Essen 1831, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Natur_und_Menschenleben_-_Hermann_Adam_von_Kamp.pdf/96&oldid=- (Version vom 15.9.2022)