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einzelner in sein Leben eingreifender Persönlichkeiten. Hier soll von einem Schicksal die Rede sein, das ihm noch nach dem Grabe widerfahren ist; geringfügig, wenn es mit jener Katastrophe zusammen genannt wird, aber doch auch erinnernd an seinen bösen Stern.

Im Jahre 1873 wurde auf eine Abhandlung „Abriß der römischen und christlichen Zeitrechnung“ einem jungen Manne von der Universität Rostock die philosophische Doktorwürde erteilt und bald darauf diese Abhandlung auch durch den Buchhandel in gewöhnlicher Weise verbreitet. Aber kaum war sie erschienen, als Dr. Steindorff in dem Göttinger Gelehrten Anzeiger und H. Grotefend in Sybels Historischer Zeitschrift beide dieselbe öffentlich bezeichneten als ein literarisches Plagiat schlimmster Art, begangen an den Vorlesungen gleichen Inhalts, welche Jaffé verschiedene Male, zuletzt im Jahre 1868 an der Berliner Universität gehalten hatte. Da das vollständig ausgeführte Heft, nach dem Jaffé gelesen hatte, durch seine letztwillige Verfügung mit seinem anderen literarischen Nachlaß in das Eigentum seines Verlegers übergegangen war, so beantragte dieser am 16. Oktober 1873 bei dem K. Stadtgericht in Berlin die Bestrafung des Verfassers wegen Nachdrucks. Der literarische Sachverständigenverein sprach sich in dem ihm abverlangten Gutachten dahin aus, daß die ersten 40 Seiten der im ganzen 63 Seiten füllenden Abhandlung, mit Ausnahme eines unbedeutenden drei Seiten umfassenden Abschnitts, nichts weiter seien als ein getreues Excerpt aus dem Jafféschen Kollegienheft, mithin ein Nachdruck der von Jaffé gehaltenen Vorlesungen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens hat das K. Stadtgericht in Berlin am 7. Juni 1875 den Angeklagten wegen Nachdrucks zu einer Geldstrafe verurteilt und die Einziehung der inkriminierten Schrift in allen vorfindlichen Exemplaren angeordnet. Dies Urteil hat die Rechtskraft beschritten und ist im Buchhändlerbörsenblatt (1875, 29. December) vollständig abgedruckt.

Ich gehe auf die näheren Umstände des Falles und die persönlichen Beziehungen, die zwischen dem Plagiierten und dem

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Theodor Mommsen: Reden und Aufsätze. Weidmann, Berlin 1905, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mommsen_Reden_und_Aufs%C3%A4tze_1905.pdf/418&oldid=- (Version vom 1.8.2018)