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diese Nacht wegstürbest, und müßtest deine Partitur an diesem Punkt verlassen: ob dir’s auch Ruh im Grabe ließ’? – Mein Auge hing am Docht des Lichts in meiner Hand und auf den Bergen von abgetropftem Wachs. Ein Schmerz bei dieser Vorstellung durchzückte mich einen Moment; dann dacht’ ich weiter: wenn denn hernach über kurz oder lang ein anderer, vielleicht gar so ein Wälscher, die Oper zu vollenden bekäme, und fände von der Introduction bis Numero siebzehn, mit Ausnahme Einer Piece, alles sauber beisammen, lauter gesunde, reife Früchte in’s hohe Gras geschüttelt, daß er sie nur auflesen dürfte; ihm graute aber doch ein wenig hier vor der Mitte des Finale, und er fände alsdann unverhofft den tüchtigen Felsbrochen da in so weit schon bei Seite gebracht: er möchte drum nicht übel in das Fäustchen lachen! Vielleicht wär’ er versucht, mich um die Ehre zu betrügen. Er sollte aber wohl die Finger dran verbrennen; da wär’ noch immerhin ein Häuflein guter Freunde, die meinen Stempel kennen und mir was mein ist redlich sichern würden. – Nun ging ich, dankte Gott mit einem vollen Blick hinauf, und dankte, liebes Weibchen, deinem Genius, der dir so lange seine beiden Hände sanft über die Stirne gehalten, daß du fortschliefst wie eine Ratze und mich kein einzigmal anrufen konntest. Wie ich

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_408.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)