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Erfrischungen gereicht, die unser Reisender im mindesten nicht schonte.

Eines hatte den Flügel geöffnet, Figaros Hocheit lag aufgeschlagen, und das Fräulein schickte sich an, von dem Baron accompagnirt, die Arie Susannas in jener Gartenscene zu singen, wo wir den Geist der süßen Leidenschaft stromweise, wie die gewürzte sommerliche Abendluft, einathmen. Die feine Röthe auf Eugeniens Wangen wich zwei Athemzüge lang der äußersten Blässe; doch mit dem ersten Ton, der klangvoll über ihre Lippen kam, fiel ihr jede beklemmende Fessel vom Busen. Sie hielt sich lächelnd, sicher auf der hohen Woge, und das Gefühl dieses Moments, des einzigen in seiner Art vielleicht für alle Tage ihres Lebens, begeisterte sie billig.

Mozart war offenbar überrascht. Als sie geendigt hatte, trat er zu ihr und fing mit seinem ungezierten Herzensausdruck an: „Was soll man sagen, liebes Kind, hier wo es ist wie mit der lieben Sonne, die sich am besten selber lobt, indem es gleich jedermann wohl in ihr wird! Bei solchem Gesang ist der Seele zu Muth wie dem Kindchen im Bad: es lacht und wundert sich und weiß sich in der Welt nichts Besseres. Uebrigens glauben Sie mir, unser einem in Wien begegnet es nicht jeden Tag, daß er so lauter, ungeschminkt und warm, ja so complet sich

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_347.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)