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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

werde sogleich kommen. Geschwind sprang Alles hinter die Coulissen, die lachenden Gesichter verwandelten sich, die Musik fing an, und das vornehme Auditorium nahm seine Plätze. Mit dem letzten Posaunen-Ton trat, ohne daß erst ein Vorhang aufzuziehen war, jene Sklavin heraus. Die zarten Arme mit Ketten belastet, erhob sie ihre rührende Klage. Auftritt um Auftritt folgte sofort ohne Anstoß rasch auf einander, bis gegen das Ende des ersten Acts. Ich glaubte schon ein lobreiches Flüstern sich durch die Reihen verbreiten zu hören; doch leider galten diese Rumore ganz etwas Andrem. Ein regnerischer Wind hatte sich erhoben, der in wenigen Minuten so stark wurde, daß die Lampen gleich zu Dutzenden verloschen und die Zuschauer laut redend und lachend aufbrachen, um eilig unter Dach zu kommen, bevor die Tropfen dichter fielen. Ein grauer Emir im Schauspiel declamirte, ganz blind vor Eifer, noch eine Weile in den Sturm hinein, indeß wir Andern, wie vor die Köpfe geschlagen, bald da, bald dorthin rannten. Einige lachten, Andere weinten, unzählige Stimmen mit Rufen und Fragen durcheinander verhallten unverstanden im heftigsten Wind. Ein Hofbedienter kam herbeigesprungen und lud uns hinüber in den festlich erleuchteten Saal. Weil aber diese angenehme Botschaft nicht alsbald überall vernommen

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_294.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)