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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

und schaffe, daß wir heute in der Nacht entkommen aus dem Schloß! Ich will aus diesem Lande.

Das letzte Wort war ihr noch nicht vom Munde, da that sich in der Wand dem Bette gegenüber eine Thür auf ohne Geräusch, die war bis diese Stunde für Jedermann verborgen, und durch sie trat der König ein in das Gemach.

In ihrem Schrecken hielt Naïra beide Hände vor’s Gesicht, alsdann fuhr sie zurück und barg sich in die Kissen. Er aber rief: bei meinem Haupt, ich wollte, daß meine Augen dieses nicht gesehen hätten! – So zornig er auch schien, man konnte doch wohl merken, daß es ihm leid that um das Weib.

Er ging indeß, wie er gekommen war, und sagte es den Fürsten, seinen Räthen an, Alles, wie es gegangen. Diese verwunderten sich höchlich, und Einer, Eldad, welcher ihm der nächste Vetter war, frug ihn: Was will mein Herr, daß Naïra geschehe, und was dem Buben, den du losgelassen hattest? – Der König sagte: Verbannet sei die Lügnerin an einen wüsten Ort. Ihr Blut begehre ich nicht; sie hat den Tod an der Hand. Jedanja mögt ihr fangen und verwahren.

Es war aber im Meer, zwo Meilen von dem Strand, an dem die Stadt gelegen, eine Insel, von Menschen nicht bewohnt, nur Felsen und Bäume.

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_275.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)