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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

hatte aber einen künstlichen Haken, der öffnete das Schloß, und wie er eintrat, sah er das Bildniß stehn im Schein der Lampen; die brannten Tag und Nacht.

Er trat herzu, faßte die Eine Hand und brach sie ab, hart über dem Gelenke, barg sie in seinen Busen, eilte und zog die Thür hinter sich zu.

Wie er nun längs der Mauer hinlief, vernahm er ein Geräusch und däuchte ihm als käme wer. Da nahm er in der Angst die Hand und warf sie über die Mauer hinweg in den Garten und floh. Die Hand fiel aber mitten in ein Veilchenbeet und nahm keinen Schaden. Alsbald gereuete den Jüngling seine Furcht, denn sie war eitel, und schlich in den Garten, die Hand wieder zu holen; er fand sie aber nicht, und suchte bis der Tag anfing zu grauen, und war wie verblendet. So machte er sich fort und kam in seine Kammer.

Am andern Morgen, als die Sonne schien, lustwandelte Athmas unter den Bäumen. Er kam von ungefähr an jenes Beet und sah die weiße Hand in den Veilchen und hob sie auf mit Schrecken, lief hinweg und es entstand ein großer Lärm durch den Palast. Kamen auch alsbald Knechte des Königs und sagten ihm an: wir haben in der Dämmerung Jedanja gesehn durch den Garten hin fliehen und haben seine

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_269.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)