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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

ward ihm gram darob und eiferte im Stillen mit der Todten; gedachte, wie sie ihrem Herrn das Andenken an sie verkümmere und ihm das Bild verderbe.

Sie beschied insgeheim Jedanja zu sich, einen Jüngling, so dem König diente; der trug eine heimliche Liebe zu ihr, das war ihr nicht verborgen. Sie sprach zu ihm: Du sollst mir einen Dienst erzeigen, dran ich erkennen will, was ich an dir habe. Vernimm. Ich höre von Jezerten immerdar, wie schön sie gewesen, so daß ich viel drum gäbe, nur ihr Bildniß zu sehn, und ob ich zwar das nicht vermag, weil mein Herr es verschworen, will ich doch Eines von ihr sehen, ihre Hand, davon die Leute rühmen, es sei ihresgleichen nicht mehr zu finden. So sollst du mir nun dieses Wunder schaffen und mir vor Augen bringen, damit ich es glaube.

Ach, Herrin, sagte er, ich will dich selbst hinführen, daß du Jezerte beschauest, bei Nacht.

Mit nichten! antwortete sie: wie könnte ich aus dem Palaste gehen? Thu’, wie ich sagte, Lieber, und stille mein Gelüst. – Und sie verhieß ihm große Gunst, da versprach es der Knabe.

Auf eine Nacht ersah er die Gelegenheit durch Pforten und Gänge, und kam zum Grabmal unbeschrieen, denn die Wache stand in den Höfen. Er

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_268.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)