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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

Die Hand der Jezerte.
Märchen.

In des Königes Garten, eh’ das Frühlicht schien, rührte der Myrtenbaum die Blätter, sagend:

Ich spüre Morgenwind in meinen Zweigen; ich trinke schon den süßen Thau: wann wird Jezerte kommen?

Und ihm antwortete die Pinie mit Säuseln:

Am niedern Fenster seh’ ich sie, des Gärtners Jüngste, schon durch’s zarte Gitter. Bald tritt sie aus dem Haus, steigt nieder die Stufen zum Quell und klärt ihr Angesicht, die Schöne.

Darauf antwortete der Quell:

Nicht Salböl hat mein Kind, nicht Oel der Rose; es tunkt sein Haar in meine lichte Schwärze, mit seinen Händen schöpft es mich. Stille! ich höre das Liebchen.

Da kam des Gärtners Tochter zum Born, wusch sich und kämmte sich und flocht ihre Zöpfe.

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_266.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)