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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

Wahrheit an der Stirn geschrieben.“ Der König selber schien dem Buben wohlgesinnt, doch, weil er guter Laune war, sprach er: „das Probstück wollen wir ihm nicht erlassen.“ Hiermit rief er den Frieder an ein Seitenfenster, das nach dem Freien ging auf einen Grasplatz, weit und flach, in dessen Mitte stund ein großer Nußbaum, wohl hundert Schritt vom Haus; es lag aber Alles dicht überschneit, denn es im Christmond war. „Du siehst,“ sagte der König, „die große Wiese hier.“ „O ja, warum denn nicht,“ rief ein Hofmann, des Königs Spaßmacher, halblaut dazwischen: „es ist zwar eine von den unsichtbaren, denn sie ist über und über mit Schnee zugedeckt.“ Die Hofleute lachten; der König aber sprach zum Knaben: „laß dich ein loses Maul nicht irren! Schau, du sollst mir auf dem Hansel einen Ring rund um den Nußbaum in den Schnee hier reiten, und wenn es gut abläuft, soll aller Boden innerhalb des Rings dein eigen sein!“ Da freuten sich die Schranzen, meinend, es gäbe einen rechten Schnack; der Frieder wurde aber so freundlich, daß er die weißen Zähne nicht wieder unterbringen konnte. Das Roß ward vorgeführt (nachdem man ihm zuvor den goldnen Frauensattel abgenommen), es jauchzte hellauf, und alles Volk mit ihm, und Frieder saß oben mit Einem Schwung. Erst ritt er langsam bis zur Wiese vor,

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_263.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)