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Eduard Mörike: Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Aus: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen

achtzig Jahr in einem Sorgenstuhl bei’m Fenster. Die Sonne fiel eben ein wenig zwischen den Vorhänglein durch auf einen kleinen Tisch, so vor ihm stand, schneeweiß gedeckt, darauf nichts weiter denn ein blauer Topf mit Wasser und noch Etwas in einem Tuche war. Der Alte aber war der kleine Hans, Frau Betha’s Herzblatt, gewesen. Er redete den Schuster in Gegenwart des Wirthes also an:

Hab’ Gott zum Gruß auf dieser Schwell’!
Obwohl das Glück dein Reis’gesell;
Ob solches mit dir in der Wiegen
Von Mutterleib aus kam zu liegen,
Ob du es in dem Gürtel hegest,
Ob du es in den Sohlen trägest.

Hierauf behändigte der Greis dem Seppe das Tüchlein und sprach: du magst es einmal, wenn du Meister bist und gründest deinen eignen Herd, deiner Liebsten verehren, am Heirathstag57, dazu dir aller Segen werde.

Was aber war im Tuch? Eine silberne Haube – man konnte nichts Schöneres sehen. Der Seppe wäre deckenhoch gesprungen, wenn sich’s geschickt hätte.

Nun sagte ihm der Alte, wem er das Angebind verdanke, dann ließ er ihn Verschwiegenheit geloben, zu dessen sichtlicher Bekräftigung er einen Finger in dem Topfe netzen und auf den Mund legen mußte.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Mörike: Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Aus: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. Stuttgart: G. J. Göschen. 1878, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_161.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)