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und gib dich zufrieden, es kann wohl noch werden.“ Sie hieß mich aus der Stube gehn, nahm Abschied für heute und schärfte mir ein, keinem Menschen zu sagen was sie gethan.

Auf der Treppe kam mir meine Mutter entgegen. Sie schlug die Hände über’m Kopf zusammen, daß ich bei Aennchen gewesen. Sie hütete mich nun auf’s Strengste und ich kam nicht mehr aus der Stube. Man wollte mir am andern Tag verschweigen, daß meine Freundin gegen Abend beerdigt werden solle; allein ich sah vom Fenster aus, wie der Tischler den Sarg in’s Haus brachte. (Der Tischler aber war ein Sohn der Leichenfrau.) Jetzt erst gerieth ich in Verzweiflung und war auf keine Art zu trösten. Darüber stürmte die Sattlersfrau herauf, meine Mutter ging ihr vor die Thür entgegen und jene fing zu lamentiren an, ihr liederlicher Mann sei noch nicht heimgekommen, sie habe keinen Kreuzer Geld daheim und sei in großer Noth. Ich unterdessen, aufmerksam auf jeden Laut im untern Hause, hatte den Schemel vor ein kleines Guckfenster gerückt, welches nach hinten zu auf einen dunkeln Winkel sah, wohinaus auch das Fenster des Kämmerchens ging, in welchem Aennchen lag. Da sah ich unten einen Mann, dem Jemand einen langen schweren Pack, mit einem gelben Teppiche umwickelt, zum Fenster

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)