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war neben mir auf einen untern Ast der Eiche geklettert, wo er kommode Alles übersah. Ich hatte gerade den König entdeckt und meine Augen suchten just die Königin, da ruft mir mein Begleiter zu: „Seht! Seht!“ und deutet in die Luft nach einer neuen Erscheinung, welche zugleich von der ganzen kleinmächtigen Menge mit Jubelgeschrei und aufgeworfenen Mützen begrüßt wird. Wie muß ich erstaunen, wie hüpft mir das Herz vor kindischer närrischer Freude, als ich den goldnen Hahn vom Jünnedaer Kirchthurm mit der großen[WS 1] Uhrtafel in seinen zwei Klauen daherfliegen sehe! Der arme Tropf flog sichtbar angestrengt, seine Flügel klirrten erbärmlich. Indessen merkt’ ich bald was daraus werden sollte: ein Festschießen galt es und hier kam die Scheibe. Der Vogel erreichte die Erde, setzte die Tafel in Mitten eines länglicht umschränkten Platzes und ließ zugleich zwei Eisen fallen (die Zeiger der Uhr ohne Zweifel), die alsbald von mehreren Edlen betrachtet, in der Hand gewogen und wie es schien verdrießlich, als ein paar unförmliche Wurfspieße, wieder weggelegt wurden. Die Schützen zogen dagegen ihre silbernen Bogen hervor, Alles ordnete sich, das Ziel war gerichtet, der Hahn amtspflichtlich stellte sich darauf. Er krähte hell bei jedem Schuß die betreffende Zahl nach den Ringen. Die Majestät selber verschmähte nicht, die

Anmerkungen (Wikisource)

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_064.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)