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etlich hundert Jahren; von der bösen Frau Irmel habt Ihr gehört – ich kenn’ sie wohl und sie mich auch, mir thut sie nichts zu Leide. Gut also, die soll noch zu ihren Lebzeiten eine Kiste mit einem braven Sparpfennig wo eingemauert haben – das war noch zu Hadelocks Zeiten, des ältesten Waidfegerkönigs. Nicht lange stand es an, so kam auch schon das Waidheer dahinter. Der König legte gleich Beschlag darauf und machte das Gewölb zu seiner heimlichen Schatzkammer, wo man sofort alle kostbare Beute verwahrte, darunter auch die große Irmelskette, die Hadelock der Andere mit erstaunlicher Arbeit und Mühe in zweien Stücken aus dem sandigen Bette der Sichel herausschaffen lassen. Der Irmel-Geist hat seitdem keine Ruhe und sucht die Kette und kann sie nicht finden. Nun geht im Volk eine uralte Sage: ein Menschenjüngling würde dereinst das Kleinod an’s Tageslicht bringen und wiederum zusammenfügen, dann wäre auch der Geist erlös’t; der Jüngling aber müsse als ein Osterkind geboren sein, die seien äußerst rar und käme oft in einem Säculo kaum Eins zur Welt. Doch, unter uns gesagt, ich denke schon den rechten Mann wo aufzugabeln und wär’ es am Ende der Welt. Ich habe mich deßhalb hier auf die Bahn gemacht, vorläufig einmal die Wege einzulernen und die Strapazen einer solchen Reise, Hunger und Durst in

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_061.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)