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mit dem Mädchen ein Wort im Vertrauen zu reden. Die Alten kamen unversehens an, schwatzten, erzählten und packten Taufschmausbrocken aus. Dazwischen konnte ich jedoch bemerken, daß mich Josephe über Tisch zuweilen ernst und unverwandt, gleich als mit weit entferntem Geist, betrachtete, so wie mir nicht entgangen war, daß sie gleich bei der Ankunft beider Alten von diesen heimlich in die Kammer nebenan genommen und eifrigst ausgefragt wurde. Es mußte der Bericht nach Wunsch gelautet haben, denn Eines nach dem Andern kam mit sehr zufriedenem Gesicht zurück. Später, bei’m Gute-Nacht unter der Thür, drückte Josephe mir lebhaft die Hand. „Ich wünsche, sagte sie, daß Ihr Euch fein bis morgen auf etwas Gut’s besinnen mögt.“ – Lang grübelte ich noch im Bett über die Worte nach, vergeblich mein Gedächtniß quälend, wo mir denn irgend einmal in der Welt diese Gesichtszüge begegnet wären, die mir bald so bekannt, bald wieder gänzlich fremde däuchten. So übermannte mich der Schlaf.

Es schlug Ein Uhr vom Jünnedaer Thurm, als ich, von heftigem Durste gepeinigt, erwachte. Ich tappte nach dem Wasserkrug; verwünscht! er schien vergessen. Ich konnte mich so schnelle nicht entschließen mein Lager zu verlassen, um anderswo zu suchen was ich brauchte. Ich sank schlaftrunken in’s Kissen

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Eduard Mörike: Gesammelte Schriften. 2. Band: Erzählungen. G. J. Göschen, Stuttgart 1878, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Moerike_Schriften_2_(1878)_054.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)