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Regierungsbezirk Aachen, bis in sein 17tes Lebensjahr ihr Zögling geblieben. Vierzehn Jahre später, 1538, eröffnete er in der Reichsstadt Straßburg, die ihn zu diesem Zwecke berufen hatte, ein Gymnasium mit einer viel größeren Zahl von Klassen, als es in irgend einer Stadt bisher je der Fall gewesen war. Auch im Uebrigen folgte er den Gewohnheiten und Grundsätzen seiner früheren Lehrer; er faßte vor Allem die Belebung des religiösen Sinnes, zumal durch fleißiges Lesen der heiligen Schrift, ins Auge, förderte aber zugleich eifrig das Studium der klassischen Literatur, erlaubte den einigermaßen vorgeschrittenen Knaben und allen Jünglingen, selbst bei ihren Spielen und bei der geselligen Unterhaltung, nur den Gebrauch der lateinischen Sprache, prägte ihnen besonders große Vorliebe für ciceronischen und terentischen Ausdruck ein, vernachlässigte dagegen einzelne andere, selbst ausgezeichnete Autoren, wie Tacitus, den wir daher, wie zu Straßburg und Lauingen, so während des 16. und 17. Jahrhunderts weder in der Durlacher Schule, noch in der zu Heidelberg und Stuttgart antreffen, und wollte auch Ovid’s Metamorphosen nicht getrieben wissen[1], so daß diese Poesie in allen den genannten Anstalten zu jener Zeit gleichfalls nicht vorkommt, sondern blos die Fasti, Trista und Epistolae ex Ponto. Auch Livius gehörte zu den von Sturm versäumten Autoren[2] und nur Reden, die aus Liv gezogen sind, finden sich bei den zahlreichen nach dem Sturmischen Muster eingerichteten Schulen zuweilen in einer oratorischen Chrestomathie jener Zeit. – Sehr


  1. Noch im Jahre 1718 vermißte der Seite 39 genannte, aus Norddeutschland nach Durlach gekommene Rector Boye in unserem Schematismus die Metamorphosen; er glaubte, sie seien erst in den letzten Jahrzehenden verdrängt worden; sie waren aber noch nie aufgenommen gewesen. In Melanchthon’s Schulplan standen sie.
  2. Und doch hatte in einem 1527, also vor Sturms Zeit, zu Straßburg gedruckten und am Oberrhein weit verbreiteten Gespräche auf die Frage: Was liesest du fürnemblich gern? die Antwort gestanden: Das Neue Testament und Titum Livium. (Röhrich, Geschichte der Reformation des Elsaßes I, 260.)
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Mittelschule Durlach (Vierordt): Geschichte der im Jahre 1586 zu Durlach eröffneten und 1724 nach Karlsruhe verpflanzten Mittelschule. Karlsruhe, 1859, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mittelschule_Durlach_(Vierordt)_048.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)