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[VI]

Director veranlassen muß, auseinander zu setzen, in welchen Punkten er dem von Retberg Vorgetragenen nicht zustimmt, so mußten doch nach Verlauf so vieler Jahre einzelne Fragen nochmals erörtert werden, und es bedurfte dazu einer Durchsicht des Originalmanuscriptes, das der Unterzeichnete nie in der Hand gehabt und nur einmal zur Zeit der Ausstellung im Jahr 1876 in München in einem Glasschrank hat liegen sehen, schon bevor das Bedürfniß nach einer neuen Auflage dringend geworden war. Allein der jetzt regierende Fürst hat sich nicht entschließen können, den Codex noch einmal aus der Hand zu geben. Das Comité der soeben in Augsburg stattfindenden Ausstellung hatte sich zwar der Hoffnung hingegeben, denselben zur Ausstellung zu erhalten, und so wäre auch die Möglichkeit geboten gewesen, daß er für unsere Zwecke noch hätte verglichen werden können. Indessen ist das Buch doch nicht zur Ausstellung gekommen, weil, wie man uns versicherte, der Fürst an der Freiheit einiger Darstellungen Anstand nimmt.

Unter diesen Umständen ist es dem Unterzeichneten weder möglich, die Genauigkeit der von Petersen gefertigten Copien zu prüfen, noch eine auf eigener Anschauung beruhende Beschreibung zu geben, oder auch nur über einzelne Fragen, die seit der ersten Herausgabe aufgetaucht sind, eine Entscheidung zu versuchen. Vielmehr liegt, nachdem nun die neue Ausgabe nicht länger verschoben werden kann, für den Unterzeichneten die dienstliche Nöthigung vor, sich über einen Gegenstand auszusprechen, den er nie gesehen.

Es ist seit Erscheinen der ersten Auflage die Frage nach dem Meister der Bilder wiederholt gestellt worden. In der ersten Auflage ist gesagt, daß die Zeichnungen offenbar von verschiedenen Händen herrühren; für die hervorragenderen ist die Meisterschaft des Bartholomäus Zeitblom in Anspruch genommen und dabei auch auf Harzen’s Aufsatz in Dr. Naumann’s Archiv für zeichnende Künste hingewiesen. Auch v. Retberg hat den Zeitblom als Meister der Bilder angesehen, dem er sodann auch eine Anzahl Kupferstiche zuschreibt. A. v. Wurzbach hat in seinem Aufsatze über den Meister E. S. von 1466, den er als Erwein vom Stege glaubte feststellen zu können, auf diesen hingedeutet (Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst, 19. Band, 1884). Retberg macht schon darauf aufmerksam, daß die Fechter des ersten Blattes dem Kartenspiel des E. S. entnommen sind sowie auch auf die Aehnlichkeit der Zeichnungen mit Blättern des sog. Meisters von 1480. M. Lehrs hat in seinen „Aeltesten Spielkarten" darauf hingewiesen, daß die Figuren der miniirten Blätter des Hausbuches meist von Spielkarten und andern Stichen des Meisters E. S. genommen sind. Brieflich hat er sich weiter gegen den Unterzeichneten dahin ausgesprochen, daß er Retberg, dessen kulturgeschichtliche Briefe er allerdings erst viel später gelesen habe, nachdem er sich längst seine Meinung gebildet, in der Zutheiluug der von einem viel besseren Meister herrührenden uncolorirten Blätter des Hausbuches an den Meister von 1480 zustimme, jedoch durchaus nicht da, daß dieser identisch mit dem viel schwächeren Meister b×s sei, der vielmehr den Meister von 1480 copirt hat, noch mit der Ansicht, daß irgend eine Verbindung mit Zeitblom zu suchen sei.

Ob das Buch, wie die Einleitung zur ersten Auflage annimmt, nach und nach entstanden ist, mag dahingestellt sein; jedenfalls ist es nicht fertig; das beweist die Zahl der leeren Blätter. Für den Verfasser dieser Zeilen steht es fest, daß ohne Zweifel auch die Federzeichnungen colorirt werden sollten, da ja bei einzelnen das Colorit schon begonnen ist, und daß wir eben in denselben nur die Vorzeichnungen für Miniaturmalereien vor uns haben. Durch die Ausführung solcher, insbesondere, wenn

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August Essenwein: Vorwort zu Mittelalterliches Hausbuch. Bilderhandschrift des 15. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1887, Seite VI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mittelalterliches_Hausbuch_1887_0006.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)