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Vorwort

Dieses Buch ist kein Rückblick aus der Vogelschau, kein historisches Werk in großen Zügen hingezeichnet, das ein Abgeschlossenes vor sich hat und dieses Abgeschlossene noch einmal vor dem Auge der Nachwelt lebendig werden läßt. Wer von hoch oben auf etwas Vollendetes herabblickt, dem geht es wie dem Flieger, der auf die Landschaft zu seinen Füßen herabschaut: Das Unwesentliche tritt zurück, verschwindet, das Wesentliche bleibt. Er wird jedes Geschehen an den Platz zu stellen wissen, der ihm zukommt, und so er die Kraft hat, ein echtes Werk zu schaffen, wird er seinem Werk Licht und Schatten, Höhe und Tiefe verleihen und uns ein abgeklärtes, übersichtliches, harmonisches Ganze schenken.

Diese Blätter hingegen sind mitten im Herzen eines gewaltigen Erlebens geschrieben. Sie sind geschrieben beim dröhnenden Lied der schweren Geschütze, das Tag und Nacht die einsame Feste umbrandet. Sie sind geschrieben, während die russischen Schrapnells über die Stadt hinpfeifen, die Fliegerbomben das Straßenpflaster aufreißen, im Angesicht von Hunger und Tod.

Sie erzählen, was der Tag bringt. Manches davon, dieses und jenes Gerücht, das uns gestern zuflog, ist heute nicht mehr wahr. Und doch will ich es nicht unterdrücken, nicht weglassen, denn es hat gestern unserem Herzen neue Spannkraft verliehen.

So nehmt dieses schlichte Buch als das, was es ist: Ein Stammeln gegenüber dem Unermeßlichen.

I. v. Michaelsburg.     

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite VII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)