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nur mehr in ruthenischen Geschäften kaufen, und die polnische und die ruthenische Gesellschaft, die früher untereinander verkehrte, sich jetzt streng voneinander sondert. Es wird als Nationalsünde angesehen, wenn ein Pole eine Ruthenin heiratet oder umgekehrt.

Auf die moderne Ausbildung der Mädchen wird hier viel Wert gelegt. So besitzt Przemysl ein Mädchengymnasium, zwei Lehrerinnenbildungsanstalten, ein Lyzeum, einige Bürgerschulen, eine Mädchen- und Knaben-Gewerbe- und Handelsschule.

Daß die Bevölkerung und die Garnison wohlhabend und lebenslustig ist, sieht man sogar jetzt noch an dem wenigen, was in den eleganten Schaufenstern der gut ausgestatteten Läden geblieben ist.

Jetzt ist die freundliche Sanstadt mit dem orientalischen Einschlag, bisher in der Welt unbekannt, mit einem Schlag in den Mittelpunkt der Geschichte gerückt.

Und so Gott will, wird sie ihre 10. Belagerung — denn sie wurde im Laufe der Jahrhunderte von den Russen, Walachen, Siebenbürgern, Ungarn, Schweden, Rumänen, Kosaken und Tartaren belagert — im Angesichte der ganzen Welt, dank ihrer heldenmütigen Besatzung, glorreich bestehen!

Przemysl, den 14. November, abends.

Eben bringt mein Mann eine Freudenbotschaft nach Hause. Zwischen Jaroslau und Rzeszow soll eine große Schlacht stattgefunden haben, in der wir die Russen geschlagen und 25 000 Mann gefangen genommen haben.

Großer Jubel und gespannte Erwartung einer offiziellen Bestätigung dieser großen Nachricht!

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)