Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/67

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

müssen, zog er mich in seine Arme und fragte mich allen Ernstes, ob ich nicht noch morgen mit dem letzten Zug abreisen wolle.

Meine Antwort war kurz. Ich erwischte ihn nur beim Kopf und sagte: „Du —! Bin ich nicht gekommen um zu bleiben!“

Da lachte er mich mit stolzen Augen an und wir waren diesen Abend sehr glücklich.

Gestern gingen die letzten drei Züge weg und ab heute ist jeder Bahnverkehr wieder eingestellt. Es wurden in größter Hast alle Verwundeten, die nur einigermaßen transportfähig waren, weggeschafft, um die hiesigen Spitäler zu entlasten. Die Russen hatten vor einigen Tagen einen Vorstoß gegen die Bahnlinie Przemysl—Chyrow gemacht und den Bahnhof Nowemiasto zerstört. Unsere Verwundetentransporte mußten 40 Kilometer außerhalb der Festung aufgehalten werden, bis die Gefahr vorbei war.

Bei diesem Transport waren gerade die letzten meiner alten Freunde, der Triestiner ohne Arm, ein Welschtiroler von Castel Tesino, ein Cillier und der Winzer mit den 5 Kugeln. Ich war sehr erstaunt, wie ich ins Spital kam, auch ihn nicht mehr zu finden. Er war noch sehr elend und man fürchtet, daß er in Lungenschwindsucht verfallen wird. Aber er sehnte sich unsagbar nach Steiermark, und es war mir eine Erleichterung, ihn auf dem Weg dorthin zu wissen. Wenn er sich noch einmal aufrafft, so ist es am ehesten dort. Und stirbt er, so stirbt er daheim.

Solange die Verwundeten hier sind, hören sie immer noch den Kanonendonner in ihr Fieber hinein. Es ist schwer, gesund werden, wenn man vom Krankenbett aus die russischen Schrapnells heraufzüngeln und aufblitzen sieht. Es ist auch in unser Spital durchgesickert,

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/67&oldid=- (Version vom 1.8.2018)