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Es wäre nicht denkbar, wenn wir zu aller Qual und Not auch noch das Schwerste auf uns nehmen müßten.

Das kannst du nicht wollen!

Eben die Nachricht, die Russen seien heute nacht in das Fort I eingebrochen und nur durch einen vehementen Bajonettsturm der Unseren hinausgeworfen worden.

Das Fort I liegt in der Nähe der Lemberger Straße, unweit der Cholerabaracken.

Herr — Herr — soll ich denn diese Tage nicht mehr überstehen — ?


Przemysl, den 8. Oktober 1914,
     am 21. Tag der Einschließung.

Morgen — morgen sollst du wiederkommen!

Fast bin ich schon so kindisch, daß mir bangt, man könnte dich morgen nicht ablösen!

Nun sind wir volle drei Wochen belagert, und es scheint noch nicht, als ob wir so bald Luft bekämen. Die Russen machen jetzt, solange die Deutschen in Frankreich gebunden sind, die alleräußerste Anstrengung, uns niederzuwerfen. Sie stürzen sich hier mit aller Wucht auf uns.

Heute nacht war wieder ein mörderisches Artilleriefeuer. Die Fenster bebten, das eiserne Balkongitter schüttelte sich klirrend und das langgezogene Rollen dröhnte dazwischen, als ob die Hölle los wäre. Jeden Abend sieht man die russischen Scheinwerfer aufsteigen. Die Russen beschießen besonders das Verpflegsmagazin; ein Teil der Slovackigasse ist noch gestern geräumt worden. Eine Granate hatte im Verpflegsmagazin gezündet, doch konnte glücklicherweise der Brand sofort unterdrückt werden. Bei vielen umliegenden Wohnungen sind die Fensterscheiben eingedrückt.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/52&oldid=- (Version vom 1.8.2018)