Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/50

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gott helfe mir, daß ich ihn am Freitag gesund wieder habe.

Ich kann nicht sagen, nicht niederschreiben, wie schwer ich auf Emil warte — kann nicht darüber reden. Denn wenn ich davon zu sprechen beginne, fühle ich, wie tausend Ängste nur auf mich lauern, um über mich hereinzubrechen.

Und ich muß mich gegen sie stemmen mit meiner ganzen Kraft!

Heute stand auf dem Schloßberg eine kleine Roßkastanie ganz in hellem Gold, so licht, wie ein liebes, süßes, goldenes Wunder.


Przemysl, den 7. Oktober 1914,
     am 20. Tag der Einschließung.

Heute — endlich — endlich — die Erlösung.

Um 8 Uhr früh kommt ein Sanitätsmann mit einem kurzen Brief. Ich war so selig, daß ich dem Polacken am liebsten an den Hals geflogen wäre, trotz aller Cholerabaracken der Welt! Gott hat mir mein Liebstes bis jetzt behütet und wird auch weiter seine Hände über ihn halten! Es war Emil nur bisher ganz unmöglich zu kommen oder zu schicken. Er ahnt ja, was ich gelitten habe! Hätte ich mich nicht mit aller Gewalt an meinen Instinkt geklammert, der mir sagte, Emil ist gesund, so hätte ich verzweifeln müssen! Aber es ist qualvoll schwer, nur von seinem Instinkt zu leben, wenn man seinen Mann in den Cholerabaracken weiß und ringsum schon die russischen Schrapnells einschlagen.

Heute ist ein furchtbares Dröhnen im Kreis um die ganze Stadt. Den ganzen Tag und die ganze Nacht stehen unsere Forts wieder in ununterbrochenem, heißem Kampf. Vormittags ging ich mit einer Bekannten

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)