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Noch einen Gruß von Deinem Gatten und viele, viele Küsse den Kindern und Dir. Grüße alle Verwandten und schreibe mir, wieviel Du monatlich bekommst.

Eine baldige Antwort!

Und nun grüße ich Dich noch einmal – lebewohl!

Mario.     

Mario.

Da sprach ich ihm davon, wie gut das Heimkommen sein werde zu einer Frau und Kindern, die ihn gern haben – und daß seine Frau stolz auf ihn sein werde!

Da ging ein zweites Lächeln über sein Gesicht.

Przemysl, den 2. Oktober 1914,
     am 15. Tag der Absperrung.

Heute bin ich den ersten Abend allein. Emil meinte, schon gestern nicht mehr zum Nachtmahl hereinkommen zu können. Doch wie ich abends bei der Schreibmaschine saß, um meinen ersten Brief an ihn zu schreiben, klopfte er plötzlich leibhaftig an der Türe. Es waren noch keine Kranken hinausgekommen und außerdem funktionierte die Feldküche noch nicht, so daß die Herren gezwungen waren, sich in der Stadt um ein Nachtmahl umzusehen. So feierten wir noch einen glücklichen Abend miteinander.

Gestern, kaum war Emil in die Baracken gefahren, begann das Geschützfeuer besonders heftig. Ich lief auf den Schloßberg und ging dort spazieren. Diese Schloßberg-Anlagen sind so schön, wie nicht viele Städte etwas Ähnliches haben. Der Blick auf den San, der sich wie eine silberschuppige Schlange in vielfachen kleinen Windungen gegen Westen schlängelt, der Abendduft über dem Wasser, die weichen Hügelketten, das ist ein so liebes, schönes Bild, daß es mich in Galizien

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)