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unweit von uns ein Schuß. Es durchzuckte mich einen kleinen Augenblick: Krieg! Aber es war jedenfalls nur ein unversichertes Mannschaftsgewehr, das los gegangen war. Endlich kamen wir im dritten Kaffeehaus „von hinten herum“ hinein und eroberten einen Tee.

Vormittag suchte ich noch vergeblich, dies und jenes einzukaufen. Dann brachte ich mir zwei Mann mit heim und schenkte ihnen Wäsche. Sie waren 14 Tage bei Grodek in unaufhörlichem Feuer gewesen und fünf Tage lang in den Schützengräben eingegraben, während die Schrapnells über sie hingingen. Fast alle Offiziere waren abgeschossen und ein Korporal machte Leutnantsdienst. Sie sind so rührend dankbar für jede langentbehrte Kleinigkeit und glücklich, wenn sie erzählen können. Die bei Grodek haben am meisten gelitten.

Mittags hatten wir einen Artilleristen hier oben und gaben ihm, was geblieben war. Er war selig, wieder einmal warm zu essen, und zeigte mit Stolz einen eroberten russischen Tornister, den er umgeschnallt trägt. „Mein Leutnant hat mir erlaubt, daß ich ihn mit nach Hause nehme!“ sagte er glückstrahlend.

Auch nachmittags sprach mich ein Artillerist an und behauptete, mich aus Wien zu kennen. Er war in sehr guter Verfassung, war immer gut verpflegt worden und erzählte von den letzten Gefechten.

„Unsere Artillerie,“ sagte er mir treuherzig, „siegt überall, wohin sie kommt!“

Viele von unseren Leuten tragen auf den Mützen russische Kokarden, die sie dem Feinde abgenommen haben. Die merkwürdigsten Dinge sieht man da. Einen Kavalleristen, der bei Lemberg einen jungen Vorstehhund erbeutet hat und mit sich führt, einen Infanteristen, der — eine Kuh vor sich hertreibt, einen Landsturmmann,

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)