Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/199

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und weinen. Meine Augen sind feucht. Meine Gedanken sind bei dir. Ich gehe durch die Menge wie eine Traumverlorene!

Wir haben Przemysl wieder — du —!

Ob du schon weißt — dich freuen kannst mit uns?

Die letzten Tage von Przemysl erstehen noch einmal vor mir, schauen mich mit schmerzensgroßen Augen an hinter den wehenden Fahnen. —

Vor der Rampe zum erzherzoglichen Schloß hat sich eine unabsehbare Menschenmenge zusammengefunden. Die engen Gassen fassen nicht die Zahl der Herbeigeströmten. Von allen Dächern winken Fahnen, schwarz-gelb, rot-weiß-grün, schwarz-weiß-rot, schwarz- rot-gelb und die Farben der Stadt neben den Farben des Landes, und mitten darunter der weiße Halbmond im roten Feld.

Eine strahlende Sonne brennt heiß in die engen Gassen. Aus allen Fenstern beugen sich die Menschen. Alle Blicke gehen wartend die Straße hinab. In der schwarzen Menge, die sich Kopf an Kopf drängt, gibt es viel galizianische Flüchtlinge. Da sieht man elegante Polinnen neben dem schwarzen Kaftan des polnischen Juden. Heute ist ihr großer Feiertag vor allen anderen.

Eine Musikkapelle zieht mit klingendem Spiel zum Schloß. Die Mittelschüler und die Vereine der Stadt treten zum Spalier an.

Seine Majestät Kaiser Wilhelm kommt aus dem deutschen Hauptquartier, um unseren Armee-Oberkommandanten, Erzherzog Friedrich, und unseren Thronfolger, Erzherzog Karl Franz Josef, zu der Wiedereroberung Przemysls zu beglückwünschen.

Die ersten Automobile sausen die Rampe hinauf.

Das ist ein Jubel, ein Tücherschwenken, ein Hurra!

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/199&oldid=- (Version vom 1.8.2018)