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Heimkommen erkauft man sich nicht so leicht! Aber man wäre keine gute Patriotin, wenn man nicht die Notwendigkeit strenger Schutzmaßnahmen gegen Spionage und gegen das Einschleppen von Seuchen anerkennen wollte.

So findet man sich mit mehr oder weniger Galgenhumor in die notwendigen Freiheitsbeschränkungen und fährt noch ein paar Nächte dritter Klasse möglichst langsam gegen Wien. Allerdings gibt es Augenblicke, wo man fürchtet, unterwegs liegen zu bleiben, so erschöpft ist man. Aber es geht doch vorwärts!

In einem wunderschönen kleinen Marktflecken Siebenbürgens machen wir am Pfingstsonntag halt. Eine Handvoll schneeweißer Häuschen, eingebettet in grüne Felder, in das üppige Saftgrün der Wiesen. Dicht hinter ihnen stehen die hohen schwarzen Waldberge, die mit steilen Hängen aufsteigen, Kulisse hinter Kulisse, Kette hinter Kette, bis sie, blauer und blauer werdend, am Horizont verschwinden.

Wir stehen auf einem Hügel in der Nähe des Dorfes und schauen in die Runde. Da überfällt mich, so mächtig wie nie zuvor, die Schönheit dieses Vaterlandes, für das wir kämpfen.

Hinter mir steht der alte Mann mit den gramdurchfurchten, leidvollen Zügen. Er steht still da und schaut hinaus. Seine Augen sind feucht. „Wir wissen doch, wofür wir bluten!“ sage ich ihm leise. Da nickt er und lächelt.

Mittags feiern wir mit Champagner das Wiedersehen mit der Heimat! Der liebe, heitere alte Herr läßt uns nicht aus. „Kinners!“ sagt er, „den Russen kommt man nur einmal aus! Dat muß gefeiert sein!“

Und dann klingen die Gläser aneinander.

Ein bunter Kreis. Jedes Gesicht hat seine Geschichte.

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/196&oldid=- (Version vom 1.8.2018)